Mitbestimmung bei der Personalbemessung?!

Verschiedene Studien belegen eine deutliche Arbeitsintensivierung in den vergangenen Jahren für viele Beschäftigte in fast allen Branchen.[1] Bei gleichbleibendem oder sinkendem Personalstand werden immer mehr und komplexere Aufgaben verlangt, wobei dieselbe Arbeitsleistung meist in kürzerer Zeit erbracht werden muss. Eine zu hohe Arbeitsintensität stellt nachweislich eine Gefährdung für die körperliche und psychische Gesundheit dar.[2] In den meisten Fällen ist die Antwort eindeutig: Es muss mehr Personal beschäftigt werden.

Der Betriebsrat hat jedoch kein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Personalbemessung – also bei der Frage, wie viele KollegInnen zu welchen Zeiten im Einsatz sind. Dies soll unter die unternehmerische Freiheit fallen und allein der Entscheidung des Managements überlassen sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Betriebsrat sich dieses Themas nicht annehmen kann. Ohne formale Mitbestimmungsrechte hat er allerdings nicht die Möglichkeit, auf eine Klärung in der Einigungsstelle abzuzielen. Er muss deswegen anders und kreativer vorgehen und noch stärker als bei anderen Fragen die Belegschaft aktivieren und beteiligen.

Informationen beschaffen und verbreiten

Die vorrangigste Aufgabe besteht meist darin, aufzudecken, dass überhaupt eine unzureichende Personalbemessung bzw. eine unakzeptable Aufgabenbemessung vorliegt. Eine Verschlechterung der Personalbemessung ist nichts, was die Arbeitgeberin öffentlich auf einer Personalversammlung ankündigen wird. Vielmehr vollzieht sich diese meist schleichend und verdeckt: So werden die Stellen von ausscheidenden KollegInnen nicht neu besetzt, Arbeitszeitkonten und Krankenstände steigen an, ohne dass weitere Kräfte eingestellt werden. Urlaubsstau und das kontinuierliche Übertragen neuer Aufgaben auf die bestehende Belegschaft sind weitere Indikatoren. Der Betriebsrat muss die vor sich gehende Intensivierung der Arbeit erkennen, sie für alle sichtbar machen und im besten Fall eine zukünftige Intensivierung bereits frühzeitig vorhersehen.

Er kann sich hierbei auf seine Unterrichtungsrechte aus § 92 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) beziehen. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und unter Vorlage entsprechender Unterlagen über alle Fragen der Personalplanung, insbesondere der Personalbemessung zu unterrichten. Der Betriebsrat soll in die Lage versetzt werden, den Planungsstand der Arbeitgeberin – noch bevor konkrete personelle Maßnahmen vorgenommen wurden – jederzeit nachvollziehen und kritisch kommentieren zu können.

Die erworbenen Informationen sollte der Betriebsrat auswerten, prüfen, umgehend in die Belegschaft kommunizieren und auf Betriebsversammlungen und bei anderen Gelegenheiten mit den KollegInnen diskutieren. Sofern es sich nicht um personenbezogene Informationen handelt, steht dem keine Geheimhaltungspflicht entgegen. Der Betriebsrat kann dadurch „Agenda-Setting“ betreiben und erreichen, dass im Betrieb kritisch über die Personalplanung gesprochen wird.

Arbeitsintensivierung sichtbar machen

Oftmals sind die Konsequenzen der Personalplanung weder der Arbeitgeberin noch den KollegInnen selbst wirklich bewusst. Meist machen die KollegInnen die Arbeitsverdichtung selbst unsichtbar, indem sie es irgendwie trotzdem schaffen, das erhöhte Pensum abzuleisten, und die daraus folgenden Konsequenzen für Körper und Psyche mit sich selbst ausmachen. Die Arbeitgeberin achtet meist nur darauf, ob die betrieblichen Ziele erreicht, die Regale gefüllt, die KlientInnen betreut, die Anrufe angenommen oder die Waren ausgeliefert wurden. Wenn die KollegInnen es trotz gesteigerter Intensität schaffen, die gestellten Anforderungen zu erfüllen, wird die Arbeitgeberin niemals Handlungsbedarf sehen – „es läuft doch!“

Schlimmer noch: Moderne Steuerungsmethoden führen dazu, dass ArbeitnehmerInnen sich selbst für den Erfolg unternehmerischer Planung verantwortlich fühlen. Unzureichende Personalplanung und Unterbesetzung erscheinen dann als persönliches Versagen.

Das darf der Betriebsrat nicht zulassen. Er muss deutlich machen, dass die Verantwortung bei der Arbeitgeberin liegt, denn sie disponiert das Personal und die Aufgaben. Der Betriebsrat kann gemeinsam mit den KollegInnen in kollektiven Aktionen versuchen, die Konsequenzen der Arbeitsverdichtung wieder sichtbar zu machen: Gemeinsame Überlastungsanzeigen müssen geschrieben, Überstunden verweigert werden und nicht zu schaffende Arbeit muss liegen bleiben! KundInnen werden dann nicht bedient, Telefonate und E-Mails nicht beantwortet. Bei tatsächlicher Arbeitsunfähigkeit müssen die KollegInnen sich krankschreiben lassen, anstatt angeschlagen zur Arbeit zu kommen. Der Arbeitgeberin muss aufgezeigt werden, welche Nachteile sich auch für sie aus einer zu dünnen Personaldecke ergeben.

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Unterbesetzung und steigende Arbeitsintensität stellen ernsthafte Belastungsfaktoren dar, die krank machen können. Der Betriebsrat sollte die Frage der Personalbemessung deswegen auch als Frage des Arbeits- und Gesundheitsschutzes behandeln.

Positiv diskutiert wurde in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Arbeitsgerichts in Kiel.[3] Der Betriebsrat hatte im Rahmen einer Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung durchsetzen können, die in verschiedenen Schichten Mindestbesetzungen vorsah. Die Arbeitgeberin klagte gegen diesen Einigungsstellenspruch. Das Arbeitsgericht entschied, dass eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit durch Mindestbesetzungen möglich sei, wenn dadurch das Recht der Beschäftigten auf körperliche und seelische Unversehrtheit geschützt würde. Ein beeindruckender Erfolg für den Betriebsrat.

Bietet sich damit eine Art Abkürzung, um über die Mitbestimmung beim Arbeits- und Gesundheitsschutz auch bei der Personalplanung mitzubestimmen? Vielleicht, aber leider nur unter bestimmten Voraussetzungen: Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat in der zweiten Instanz diese Abwägung grundgesetzlicher Rechte zwar nicht bemängelt, dafür aber dem gesamten Verfahren erhebliche Beschränkungen auferlegt.[4] Damit eine gegen den Willen der Arbeitgeberin Mindestbesetzungsregelung in Betracht kommen kann, müssen tatsächliche Gefährdungen im Rahmen einer ordentlichen Gefährdungsbeurteilung festgestellt worden sein, und auch dann kämen Mindestbesetzungen nur unter Umständen in Betracht.

Über die Frage des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Einfluss auf die Personalbemessung zu nehmen, ist damit zwar möglich[5], aber allein die Durchsetzung einer ordentlichen Gefährdungsbeurteilung kann für sich bereits einen langwierigen Prozess darstellen.

Will der Betriebsrat Einfluss auf die Personalplanung nehmen, muss er mit starkem Widerstand durch die Arbeitgeberin rechnen und einen langen Atem haben. Dennoch sollte alles versucht werden, die Situation für die KollegInnen zu verbessern. Wenn der Betriebsrat es geschafft hat, die Probleme bei der Personal- und Aufgabenbemessung im Betrieb aufzudecken, kann er zusammen mit der Belegschaft der Arbeitgeberin die Dringlichkeit des Themas deutlich machen. Während die KollegInnen in kleinen oder großen kollektiven Aktionen die Konsequenzen der Unterbesetzung deutlich machen, strebt der Betriebsrat über sein Mitbestimmungsrecht beim Arbeits- und Gesundheitsschutz Abhilfe in der Einigungsstelle an. So ziehen alle an einem Strang und erhöhen den Druck auf die Arbeitgeberin gewaltig. Wird mit solcher Zielstrebigkeit und Vehemenz vorgegangen, dann wird der Betriebsrat Erfolge verzeichnen können, unabhängig davon, ob formale Mitbestimmungsrechte bestehen oder nicht.

[1] Vgl. z.B. Ahlers, E./Erol, S. (2019):  Arbeitsverdichtung in den Betrieben? Empirische Befunde aus der WSI-Betriebsrätebefragung. Policy Brief WSI, Nr. 33.

[2] Vgl. z.B. Siegrist, J. (2015): Arbeitswelt und stressbedingte Erkrankungen. Forschungsevidenz und präventive Maßnahmen, München.

[3] ArbG Kiel 26.7.2017 – 7 BV 67 c/16, NZA-RR 2017, 539. Vgl. hierzu auch Schoof, Ch./Gast, A. (2018): Personalbemessung mitbestimmt regeln, in: Gute Arbeit, Nr. 4.

[4] LAG Schleswig-Holstein, 25.04.2018 – 6 TaBV 21/17. Die Beschwerde beim BAG wurde zugelassen.

[5]Vgl. Kuster (2019): Was tun bei Unterbesetzung? Arbeitsrecht im Betrieb Nr. 10.

Schulungsanspruch bei Grund- und Spezialseminaren

Wissen ist Macht – Der Schulungsanspruch von Betriebsräten

Die meisten Betriebsräte finden sich nach der Wahl in einer ungewohnten Situation wieder. Auf einmal muss man sich mit verschiedenen Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen auseinandersetzen und auf die Einhaltung der vielfältigen arbeitsrechtlichen Vorschriften durch den Arbeitgeber achten. Aber wie soll die Einhaltung von Recht und Gesetz kontrolliert und gemeinsam mit dem Arbeitgeber betriebliche Regelungen verhandelt werden, wenn keine Kenntnis über die Rechtslage und die Mitbestimmungsrechte besteht?

Diese Problematik hat auch der Gesetzgeber gesehen und daher im Betriebsverfassungsgesetz einen gesetzlichen Anspruch auf Weiterbildung für Betriebsräte geschaffen. Geregelt ist dieser Anspruch im § 37 Abs. 6 BetrVG. Demnach haben Betriebsräte einen Anspruch auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von Kenntnissen dann erforderlich, wenn diese „unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seinen gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann (BAG 9.10.1973 – 1 ABR 6/73). Denn das einzelne Betriebsratsmitglied kann nicht auf ein Selbststudium oder eine Unterrichtung durch ein bereits geschultes Betriebsratsmitglied verwiesen werden (BAG 19.03.2008 – 7 ABR 2/07). Soweit die Erforderlichkeit der Schulung besteht, hat der Arbeitgeber alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Kosten zu tragen (Seminarkosten, Reise- und Übernachtungskosten, Verpflegungskosten usw.) und für den Zeitraum der Schulung das reguläre Gehalt weiterzuzahlen.

Dabei besteht nicht nur ein Recht auf Schulung, sondern sogar eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht. Denn mit der Übernahme des Betriebsratsamtes haben die BR-Mitglieder neben der Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Aufgaben weitere Amtspflichten übernommen. Um dieses Amt verantwortungsgerecht ausüben zu können, sind spezielle Kenntnisse im Betriebsverfassungs- und im Arbeitsrecht notwendig. Jeder Betriebsrat hat sich daher auf sein Amt umfassend vorzubereiten und ist aus diesem Grund nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, sich die hierfür erforderlichen Kenntnisse durch entsprechende Seminare anzueignen (BAG 21.4.1983 – 6 ABR 70/82).

In der Praxis wird unterschieden zwischen Grundlagenseminaren und Spezialseminaren.

 

Grundlagenseminare

Soweit es sich um ein Grundlagenseminar handelt, muss nicht extra begründet werden, warum dieses Seminar erforderlich ist. Denn bei diesen Seminarinhalten handelt es sich um Grundlagenwissen, was grundsätzlich jedes Betriebsratsmitglied haben muss, um die Aufgaben im Betriebsrat ordnungsgemäß zu erfüllen. Daher werden Grundlagenseminare von der Rechtsprechung als stets erforderlich angesehen. Hier kommt es lediglich darauf an, dass bei der zeitlichen Festlegung des Seminartermins die betrieblichen Notwendigkeiten berücksichtigt werden (also wenn möglich nicht während des Weihnachtsgeschäftes oder während der Haupturlaubszeit auf Seminar fahren) und die Kosten im Rahmen bleiben (also nicht mit der 1. Klasse nach Mallorca zum Seminar fliegen, sondern sofern möglich lieber ortsnah). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dem Betriebsrat ein eigener Beurteilungsspielraum zugestanden wird, wann welches Betriebsratsmitglied zu welchem Seminar entsendet wird. Dies gilt sowohl für den konkreten Inhalt des Seminars, als auch für deren Dauer und die Anzahl der entsendeten Teilnehmer (BAG 9.10.1973 – 1 ABR 6/73).

Zu den Grundlagenseminaren gehören im Seminarprogramm u.a. die folgenden Themenbereiche:

Betriebsverfassungsrecht (Grundlagen I, II, III, IV, V)

Arbeitsrecht (Grundlagen I, II, III)

Arbeits- und Gesundheitsschutz  (Grundlagen)

Datenschutz (Grundlagen)

 

Spezialseminare

Neben den Grundlagenseminaren gibt es noch die sogenannten Spezialseminare. Diese Seminare vermitteln Spezialwissen, welches nicht immer für alle Betriebsräte als erforderlich angesehen wird. Im Falle der Spezialseminare müssen Betriebsräte ggf. die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme inhaltlich begründen. Nach Ansicht der Gerichte ist ein Spezialseminar immer dann erforderlich, „soweit nach den Verhältnissen des konkreten einzelnen Betriebes Fragen und Probleme anstehen oder in naher Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des BR unterliegen und bei denen im Hinblick auf den Wissensstand des konkreten BR eine Schulung von BR-Mitgliedern erforderlich erscheint, damit der BR seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann“ (BAG 20.08.2014 – 7 ABR 64/12). Etwas verständlicher ausgedrückt, muss also erstens eine konkrete Aufgabe des BR vorliegen. Zweitens müssen die zur Schulung entsendeten BR-Mitglieder mit dieser Aufgabe befasst sein (bspw. weil sie Mitglied der entsprechenden Verhandlungskommission bzw. des jeweiligen Ausschusses sind). Und Drittens muss den jeweiligen BR-Mitgliedern das notwendige Wissen zur sachgerechten Wahrnehmung ihrer Aufgaben fehlen und dieses Wissen im entsprechenden Seminar vermittelt werden. Auch hier hat der BR wieder einen Beurteilungsspielraum, welcher nur eingeschränkt gerichtlich zu überprüfen ist.

 

Sonderfall – Ersatzmitglieder und Wiederholungsschulungen

Sonderregelungen gelten für Ersatzmitglieder. Der Betriebsrat kann ein Ersatzmitglied zu einer Schulung entsenden, soweit dies erforderlich ist, „um die Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats zu gewährleisten (BAG 19.09.2001 – 7 ABR 32/00)“. Aber wann ist das der Fall? In der Praxis wird vor allem darauf abgestellt, wie oft das entsprechende Ersatzmitglied für verhinderte Kolleg*innen nachrücken muss. Soweit das Ersatzmitglied über einen längeren Zeitraum an mindestens einem Viertel aller Betriebsratssitzungen teilgenommen hat, kann ein Schulungsanspruch bestehen. Dies ist jedoch immer im konkreten Einzelfall festzustellen. Auch in dieser Frage ist von einem Beurteilungsspielraum des Betriebsrats auszugehen.

Ein andere Konfliktfall betrifft die sogenannten Wiederholungsschulungen, also Schulungen zur Auffrischung bzw. Wissensvertiefung zu Themen, zu denen bereits vor einiger Zeit ein Seminar besucht wurde. Auch solche Schulungen können erforderlich sein. Dies gilt vor allem für Bereiche, in denen eine schnelle Entwicklung/Veränderung stattfindet (also bspw. Computertechnik), bei Änderungen von Gesetzen oder der Rechtsprechung und bei neu auftretenden Konflikten im Betrieb. Der Betriebsrat muss jedoch in einem solchen Fall konkret darlegen, warum eine Schulung zu einem ähnlichen Thema aus Sicht des BR erneut erforderlich ist (LAG Nürnberg 1.9.2009 – 6 TaBV 18/09).

 

Stephan Puhlmann, Arbeitsrecht für Arbeitnehmer*innen

https://www.rechtsanwalt-puhlmann.de/

»Wie sag‘ ich es am besten?« – Erfolgreiche Gesprächsführung von Betriebsräten

Als Betriebsräte kommuniziert Ihr in vielen unterschiedlichen Situationen: in BR-Sitzungen, in Euren Sprechstunden, in Monatsgesprächen, bei Verhandlungen mit der*dem Arbeitgeber*in, bei BEM-Gesprächen, auf Betriebsversammlungen, auf Veranstaltungen, im Alltag mit Euren Kolleginnen und Kollegen, mit Gewerkschaftsvertreter*innen, anderen betrieblichen Akteur*innen usw.

 

Manchmal sind diese Gespräche leicht, und manchmal – darauf wette ich – rauben sie Euch den letzten Nerv. Da lohnt es sich zu fragen: Woran liegt es, dass einige Gespräche aus dem Ruder laufen? Wie kommt es, dass wir uns im Kreis drehen, nicht vorankommen und die ganze Angelegenheit ziemlich zäh und anstrengend wird? Warum haben wir mitunter das Gefühl, dass wir die Zügel aus der Hand gegeben haben und das Gespräch nicht mehr steuern können? Aus welchen Gründen finden wir zu bestimmten Gesprächspartner*innen einfach keinen Zugang? Wieso lief ein Gespräch schief, obwohl ich die viel besseren Argumente hatte? Ganz allgemein gefragt: Warum erreichen wir manchmal unser Gesprächsziel nicht?

 

Inhalt und Beziehung – Es gibt keine rein sachlichen Gespräche

 

Oft höre ich von Betriebsräten in Seminaren, dass es ja wohl möglich sein muss, ein sachliches Gespräch zu führen – schließlich sind wir alle erwachsen und könnten uns doch bitteschön mal für eine halbe Stunde zusammenreißen … Tja, so einfach ist das nicht. Eine wichtige Erkenntnis: Es gibt keine rein sachlichen Gespräche. Es gibt immer auch eine Beziehungsebene, und die ist gesprächsentscheidend. Jede*r Beteiligte ist in einer bestimmten emotionalen Verfassung, die sich im Verlaufe eines Gesprächs mehrfach ändern kann, denn alles, was gesagt wird, hat eine Wirkung – und zwar nicht nur eine inhaltliche. Es kann beispielsweise passieren, dass ich mit einem bestimmten Vorschlag oder einer Forderung meine*n Arbeitgeber*in während einer Verhandlung verärgere, schockiere, kränke, verunsichere, verlegen mache, enttäusche oder dergleichen. Dementsprechend reagiert er*sie dann auf mich. Spürbar ist das zum Beispiel am Tonfall, einer schnippischen Bemerkung oder einer bestimmten Geste (Augen rollen, auf den Tisch hauen, anhaltendes Kopfschütteln). Und was machen wir daraufhin? In der Regel: weiter argumentieren, denn das haben wir alle gelernt; darauf sind wir fokussiert. Doch leider fängt hier ein Teufelskreis an. Diesen gilt es geschickt zu durchbrechen, und dafür gibt es sehr hilfreiche Methoden, die Ihr erlernen könnt. Richtig angewendet, führen diese Methoden dazu, dass Euer Gegenüber nicht aus der inhaltlichen Auseinandersetzung aussteigt, sondern Ihr im Austausch bleibt. Also: Es gibt keine rein sachlichen Gespräche, aber es gibt Gespräche, in denen wir uns auf die Sache konzentrieren können. Das ist ein himmelweiter Unterschied – und es erfordert, immer auch die Beziehungsebene im Blick zu haben.

 

Die große Management-Trainerin Vera F. Birkenbihl brachte es einmal so auf den Punkt:

»Es ist nicht entscheidend, was ich sage, sondern was der andere hört.«

 

Wie könnt Ihr Gespräche grundsätzlich positiv beeinflussen?

 

Viele Dinge spielen eine Rolle, wenn es um erfolgreiche Kommunikation geht. Eure Körpersprache gehört genauso dazu wie alles, was Ihr sagt. Ziel sollte immer sein, das Vertrauen des Gegenübers zu erlangen, denn dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er*sie sich öffnet und bereit für einen konstruktiven Austausch, für Kritik und neue Wege ist. Dieses Vertrauen entsteht, wenn Ihr einerseits klar, echt und verlässlich Eure eigenen Standpunkte vertretet (Authentizität) und wenn es Euch gleichzeitig gelingt, glaubwürdiges Verständnis für Eure*n Gesprächspartner*in zu zeigen. Es geht nicht darum, die gleiche Sichtweise zu teilen! Es ist nämlich möglich, Verständnis zu zeigen und trotzdem anderer Meinung zu sein. Auch hier greifen wirksame Methoden und Techniken sowie »gute Fragen«, die immer hilfreich sind.

 

Wertschätzung ist die Basis für alles

 

Das große Stichwort in (schwierigen) Gesprächen lautet: Wertschätzung. Und die gute Nachricht ist: Wertschätzung könnt Ihr auch jemandem entgegenbringen, den Ihr nicht leiden könnt, mit dem Ihr schlechte Erfahrungen gemacht habt oder mit dem »die Chemie nicht stimmt«. Es ist eigentlich ganz einfach: Sobald ich einen Menschen im Gespräch nicht mehr wertschätzend behandele, wirkt sich das negativ auf den gesamten Verlauf aus. Der*die Andere blockt ab, stellt sich quer, hat keine Lust, mir entgegenzukommen usw. Das kann passieren, ohne dass es mir als Redner*in bewusst ist, weil ich eigentlich dachte, dass ich doch völlig normal rede und durchaus freundlich bin … So können eine BR-Sitzung, eine Verhandlung oder eine Beratung in die völlig falsche Richtung laufen, ohne dass mir klar ist, warum.

 

Was lernt Ihr in einem Kommunikationsseminar von Recht und Arbeit?

 

In dem Seminar lernt Ihr, wie Ihr Euch in herausfordernden Gesprächen als Betriebsräte verbal und nonverbal so verhalten könnt, dass es Eurem Gesprächsziel nutzt. Ganz nebenbei helfen Euch die Gesprächstechniken auch in allen anderen Situationen Eures Lebens, in denen Ihr Euch fragt: »Wie sag‘ ich es am besten?«

 

Wir schauen uns wichtige theoretische Grundlagen an, vor allem aber machen wir praktische Übungen zu konkreten Situationen aus Eurem Betriebsratsalltag. Ihr könnt alles auf den Tisch bringen, was Euch beschäftigt, alle Fragen stellen und mit mir und den anderen Teilnehmer*innen gern lebhaft diskutieren. Ich gebe im Seminar die Dinge als Tipps an Euch weiter, von deren positiver Wirkung ich überzeugt bin, weil sie mir in meinem eigenen Berufs- und Privatleben vielfach geholfen haben. Vielleicht überzeugen die Gesprächsmethoden auch Euch – einen Versuch ist es allemal wert. Übrigens, auch ich lerne in Seminaren immer etwas dazu. Und es wird gelacht, versprochen.

Claudia Erler, Kommunikationstrainerin und Mediatorin

Die häufigsten Einwände der Arbeitgeberin gegen eine Betriebsratsschulung – Teil 1: Die Kosten seien zu hoch

Der Schulungsanspruch des Betriebsrates ist ein wichtiger Bestandteil der Betriebsverfassung. Betriebsräte sind keine technokratischen, sondern politische Gremien. Ihre Mitglieder werden nicht aufgrund besonderen Sachverstands gewählt, sondern weil die Kolleg*innen ihnen am ehesten zutrauen, ihre Interessen im Betrieb zu vertreten. BR-Mitglieder sind deswegen fast immer juristischen Laien. Das ist kein Makel, sondern Teil der Idee betrieblicher Mitbestimmung. Umso wichtiger ist es, dass sie durch Schulungen in die Lage versetzt werden, die komplexen Fragen der BR-Arbeit bewältigen zu können. Schulungen helfen den Betriebsratsmitgliedern, gegenüber der Arbeitgeberin „intellektuelle Waffengleichheit“ herzustellen und auf Augenhöhe über alle betrieblichen Themen diskutieren und verhandeln zu können. “Es gehört damit zu den Amtspflichten des Betriebsrats, sich das für seine Arbeit erforderliche Fachwissen anzueignen.”[1]

 

Viele BR-Gremien und BR-Mitglieder nehmen ihren Weiterbildungsanspruch jedoch nicht im erforderlichen Maß in Anspruch. Dies kann unterschiedlichste Gründe haben.[2] Oft liegt es aber an der Arbeitgeberin, die Einwände gegen den Seminarbesuch hat und die Seminarplanung für die Betriebsräte erschwert. Im Folgenden haben wir für Euch eine Liste der häufigsten Einwände zusammengestellt und erläutern, wie sie zu bewerten sind.

 

„Die Kosten sind zu hoch“

Eine arbeitgebernahe Studie hat im Jahr 2003 errechnet, dass in größeren Unternehmen pro Jahr und pro Arbeitnehmer*in 18,00 € für BR-Schulungen ausgegeben werden.[3] Dagegen steht, dass Unternehmen nach einer aktuellen Studie insgesamt bis zu 560,00 € pro Arbeitnehmer*in im Jahr für betriebliche Weiterbildung ausgeben.[4] BR-Schulungen werden also immer nur einen kleinen Teil des gesamten Weiterbildungsbudgets ausmachen. Dennoch kommt von Arbeitgeberinnenseite häufig das Argument, ein gebuchtes BR-Seminar sei zu teuer und könne deswegen nicht besucht werden. Oder der Betriebsrat müsse sich auf die Suche nach einem günstigeren Seminar machen. Was ist von diesem Argument zu halten?

Die Arbeitgeberin hat entsprechend § 40 BetrVG grundsätzlich die Kosten für erforderliche Seminare des Betriebsrates zu tragen. Neben der Erforderlichkeit muss der Betriebsrat jedoch auch beachten, dass der Preis verhältnismäßig ist.[5] Damit ist gemeint, dass der zeitliche Umfang, die Lage des Seminarortes, die Anzahl der entsendeten BR-Mitglieder und der Preis eines Seminars in einem nachvollziehbaren Verhältnis zum Schulungsziel des Betriebsrates stehen sollen. Mit anderen Worten: Der Betriebsrat soll nicht mehr Geld ausgeben als nötig, um sich das gewünschte Wissen anzueignen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Betriebsrat gezwungen wäre, vor jedem Seminarbesuch eine ausführliche Marktanalyse vorzunehmen und immer das günstigste Seminar zu buchen.[6] Die Preise der meisten Anbieter von Betriebsratsschulungen unterscheiden sich nicht erheblich voneinander. Hier eine Reihe von Seminarpreisen, die im Rahmen von Arbeitsgerichtsverfahren explizit als verhältnismäßig anerkannt oder zumindest nicht beanstandet wurden:

  1. 4-tägige Wirtschaftsausschussschulung für 1.246,00 € pro Person – LAG Hessen v. 11.03.2019 – 16 TaBV 201/18
  2. 4-tägige Kompaktschulung zu BetrVG I und II für 1.350,00 € pro Person – LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 20.09.2016 – 5 TaBV 21/15
  3. 4-tägige Spezialschulung zu einer Personalplanungssoftware für 1.190,00 € pro Person – LAG Berlin-Brandenburg v. 20.04.2016 – 15 TaBV 52/16
  4. 4-tägiges Seminar zur Mobbing-Prävention für 1.188,00 € pro Person – BAG v. 14.01.2015 – 7 ABR 95/12
  5. 4-tägiges Inhouse-Seminar zur Mitbestimmung beim Arbeitsschutz für 9.180,00 € für ein 11-köpfiges Gremium – LAG Berlin-Brandenburg v. 28.02.2017 – 11 TaBV 1626/16
  6. 1-tägige Inhouse-Schulung zum normalen Wahlverfahren für 2.080,00 € für ein 5-köpfiges Gremium – LAG Hessen v. 26.03.2018 – 16 TaBVGa 57/1

Sofern sich Euer angestrebtes Seminar in etwa im Rahmen dieser marktüblichen Preise bewegt, kann die Arbeitgeberin keine Einwände gegen die Schulung haben. Auch seid Ihr bei zwei Seminarangeboten nicht gezwungen, immer das günstigere zu nehmen. Nur wenn es zwei Schulungen gibt, die zum selben Zeitpunkt stattfinden und vom Betriebsrat als qualitativ gleichwertig eingeschätzt werden, wäre der Betriebsrat im Hinblick auf die Kostenschonung der Arbeitgeberin dazu veranlasst, die günstigere Schulung zu buchen.[7] Grundsätzlich darf der Betriebsrat sich für jene Schulung entscheiden, die ihm am besten geeignet erscheint.

Arbeitgeberinnen führen manchmal ins Feld, dass die Kosten im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Unternehmens stehen müssen. Dass ein Unternehmen tatsächlich wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Kosten des Rechtsanspruches auf Weiterbildung des Betriebsrates zu schultern, ist höchst selten und kann nur einen „Grenzfall“[8] darstellen. In jedem Fall kann die Arbeitgeberin dies nicht einfach behaupten und damit bereits den Schulungsanspruch des Betriebsrates beschneiden, sondern müsste es anhand konkreter betriebswirtschaftlicher Kennzahlen dem Betriebsrat gegenüber belegen.[9] Tatsächlich ist uns kein Fall bekannt, in dem ein Arbeitsgericht die Arbeitgeberin von der Pflicht zur Kostentragung entbunden hätte, weil die finanzielle Belastung zu groß gewesen wäre.[10]

 

Betriebsräte sind nicht an Vorgaben der Vergabeordnung gebunden

Häufiger sehen wir auch den Fall, dass Betriebsräte von ihrer Arbeitgeberin gebeten werden, mindestens drei Angebote verschiedener Anbieter für ein Seminar einzuholen und sich dann für das günstigste dieser Angebote zu entscheiden. Oftmals (aber nicht immer) handelt es sich hier um Unternehmen, die tatsächlich oder vermeintlich zu den öffentlichen Auftraggebern nach § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zählen. Das sind Unternehmen, die überwiegend durch die öffentliche Hand finanziert werden und im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfüllen. Diese Unternehmen unterliegen besonderen Vorgaben, wenn sie Aufträge vergeben. Bei kleineren Aufträgen ist dies die Pflicht, mindestens drei Bewerber*innen zur Angebotsabgabe aufzufordern.[11] Dies soll dem Zweck der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel dienen. Die Frage ist nun: Kann dies auch für in diesen Unternehmen gebildete Betriebsräte gelten? In welchem Verhältnis könnten die Vergabeordnung und das Betriebsverfassungsgesetz stehen?

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg stellt klar, dass der Betriebsrat nicht an die Vorgaben der Vergabeordnung gebunden ist. Auch wenn die Arbeitgeberin eine öffentliche Auftraggeberin ist, so ist der dort gebildete Betriebsrat dies noch lange nicht. „Die Aufgaben, Befugnisse und Kompetenzen eines Betriebsrates haben mit Ausnahme der im Betriebsverfassungsgesetz selbst geregelten Modalitäten (z. B. § 118 BetrVG) keine Relation zu den jeweiligen Aufgaben und Zielsetzungen des Arbeitgebers“.[12] Die Arbeitgeberin erfüllt Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, der Betriebsrat hat dagegen die im BetrVG geregelten Aufgaben der Interessenvertretung der jeweiligen Belegschaft. Diese Trennung ist für die Arbeit des Betriebsrates sehr wichtig: „Die autonome Interessenwahrnehmung sowie die Unabhängigkeit des Betriebsrats vom Arbeitgeber ist demnach ein Strukturprinzip der Betriebsverfassung.“[13]

Das bedeutet also: Als Betriebsrat seid Ihr nie dazu gezwungen, mindestens drei Angebote für Schulungen einzuholen und Euch dann für das günstigste zu entscheiden. Auch an sonstige Vorgaben der Vergabeordnung müsst Ihr Euch nicht halten. Natürlich kann es trotzdem sinnvoll sein, mehrere Angebote einzusehen und sich aus den verschiedenen Ausschreibungen genau den Anbieter auszusuchen, der Euch am meisten zusagt. Aber das ist Eure freiwillige Entscheidung, keine Verpflichtung. Prinzipiell kann es hilfreich sein, der Arbeitgeberin gegenüber sichtbar zu machen, dass Ihr Eure Bildungsplanung professionell und überlegt durchführt und es somit Hand und Fuß hat, wenn Ihr Euch für ein bestimmtes Seminar entschieden habt.

Zusammenfassung:

Dass eine für den Betriebsrat erforderliche Schulung zu teuer sein könnte, ist ein absoluter Ausnahmefall. Zum einen ähneln sich die Preise der Anbieter und liegen in den allermeisten Fällen im marktüblichen Bereich. Zum anderen sind Unternehmen mit Betriebsrat grundsätzlich leistungsfähig genug, um den – vergleichsweise kleinen – Anteil für Betriebsratsschulungen aufzubringen.

In den folgenden Beiträgen werden wir uns außerdem mit folgenden Einwänden beschäftigen:

  1. Die Schulung ist nicht erforderlich.
  2. Der Zeitpunkt der Schulung ist ungeeignet.
  3. Die Schulung ist nicht zweckmäßig, sie hilft dem BR nicht, seine Arbeit erfolgreich zu machen.
  4. Reise-, Übernachtungs- und Tagungskosten können nicht übernommen werden.
  5. Nur ein Mitglied des Gremiums soll entsandt werden.
  6. Der Betriebsrat verfügt bereits über das entsprechende Wissen.

 

[1] Bundesarbeitsgericht, 21.04.1983 – 6 ABR 70/82.

[2] Ergebnis einer Befragung unter mehreren Tausend Betriebsräten war, das Gewerkschaftsmitglieder, BR-Vorsitzende und Freigestellte deutlich mehr Seminare besuchen. BR-Mitglieder mit Hochschulabschluss, Kolleg*innen in kleineren und mittleren Unternehmen und auch Frauen in den Gremien dagegen eher weniger Seminare. Eva Ahlene u.a.: Weiterbildungsverhalten von Betriebsräten – Ergebnisse einer repräsentativen Befragung. 2017.

[3] Horst-Udo Niedenhoff: Die direkten Kosten der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes. 2004.

[4] Susanne Seyda / Beate Placke: Die neunte IW-Weiterbildungserhebung. Kosten und Nutzen betrieblicher Weiterbildung. 2017.

[5] Dies geht auf ein älteres Urteil des BAG zurück, BAG, 31.10.1972 – 1 ABR 7/72.

[6] Bundesarbeitsgericht, 19. März 2008 – 7 ABR 2/07.

[7] Fitting 27. Aufl. § 40 Rn. 74.

[8] Christoph Domernicht: Kosten und Sachaufwand des Betriebsrates. 2018.

[9] LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 20.09.2016 – 5 TaBV 21/15.

[10] In einem Verfahren vor dem LAG Hamm wurde es z.B. als unbeachtlich angesehen, dass der Betriebsrat im fraglichen Jahr bereits über 17.000 € an Seminarkosten verursacht und dass das Unternehmen im Vorjahr mit einem negativen Betriebsergebnis von 1,8 Millionen € abgeschlossen hatte. LAG Hamm v. 08.07.2005 – 10 Sa 2053/04

[11] Vgl. § 3 Abs. 1 Vergabe-und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) 2009.

[12]LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.03.2016, 24 TaBV 1939 / 15 D.

[13] Bundesarbeitsgericht, 11.11.1997 – 1 ABR 21/97.

 

Betriebsratsarbeit in Teilzeit

Als Teilzeitbeschäftigte gelten alle Kolleg*innen, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die tarifliche oder betriebsübliche Vollzeitarbeit. Der Anteil der Menschen, die in Teilzeit arbeiten, ist deutschlandweit seit dem Jahr 2000 von 19,8 % auf aktuell 28,8 % deutlich gestiegen.[1] Die höhere Anzahl an Teilzeitkräften in den Betrieben bedeutet zwangsläufig auch immer mehr teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder in den Gremien. In vielen Branchen gibt es mittlerweile Gremien, bei denen Teilzeit nicht etwa die Ausnahme, sondern der Regelfall ist.

 

Teilzeitbeschäftigte sind gesetzlich geschützt: § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) stellt klar, dass teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer*innen gegenüber Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter gestellt werden dürfen. Demnach ist es beispielsweise rechtswidrig, Teilzeitbeschäftigte genauso häufig zu Arbeitseinsätzen an Samstagen und Sonntagen einzusetzen wie Vollzeitbeschäftigte, denn dies würde bedeuten, dass sie überproportional zu ihrer Arbeitszeit Wochenendzeit opfern müssten.[2]

 

Anspruch auf Freizeitausgleich

 

Die wichtigste Regelung für teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder ist § 37 Abs. 3 BetrVG, wonach BR-Mitglieder einen Anspruch auf Freizeitausgleich für BR-Arbeit außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit haben, sofern diese betrieblich begründet ist. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Betriebsratssitzungen außerhalb der persönlichen Arbeitszeit liegen. Es trifft bei allen Situationen zu, die direkt oder indirekt durch den*die Arbeitgeber*in oder die betriebliche Organisation bedingt sind.

Unproblematisch wird die BR-Arbeit in Teilzeit dadurch freilich nicht. Denn es hat meist gute Gründe, warum jemand in Teilzeit arbeitet. Andere Verpflichtungen, wie ein zweiter Job, ein Studium, Kinder oder zu pflegende Angehörige schränken die Planungsfreiheit ein. Die gemeinsame BR-Arbeit zu koordinieren, wird dadurch zu einer besonderen Herausforderung.

 

Zwischen Arbeits- und Amtspflicht

 

Für Teilzeit-BRs ergeben sich noch weitere Schwierigkeiten: Lässt sich ein in Vollzeit beschäftigtes Betriebsratsmitglied für einen Teil seiner Arbeitszeit freistellen, um in dieser Zeit BR-Arbeit zu leisten, dann verbleibt meist noch Zeit, in der er*sie anschließend seiner*ihrer arbeitsvertraglichen Arbeit nachgehen kann. Bei Teilzeitbeschäftigten – und vor allem solchen mit geringen Stundensätzen von 20 Stunden oder weniger – ist es häufig der Fall, dass durch die Freistellungszeiten die arbeitsvertragliche Arbeit nicht mehr vollumfänglich leistbar ist. Wichtige Arbeit bleibt liegen, ganze Projekte treten auf der Stelle, Klienten werden nicht betreut, und das betroffene BR-Mitglied läuft Gefahr, nicht mehr gut in die betrieblichen Abläufe integriert zu sein. Unternimmt der*die Arbeitgeber*in nach den Betriebsratswahlen keine entsprechende Reorganisation, so stehen die BRs oft vor der problematischen Entscheidung zwischen Arbeits- und Amtspflicht.

 

Auch das BAG hat bereits 2014 anerkannt, dass teilzeitbeschäftigte BR-Mitglieder mit geringen Stundensätzen unter Umständen über einen längeren Zeitraum vollständig von ihrer Arbeit freizustellen sind.[3] In einigen Betrieben kann dies so weit gehen, dass teilzeitbeschäftigte BR-Mitglieder permanent den Stundenumfang ihrer persönlichen Arbeitszeit überschreiten müssten, weil die BR-Arbeit so viel Einsatz erfordert, dass die vertraglich geregelte Arbeitszeit schlichtweg nicht ausreichen würde. Sind vor allem in kleineren Gremien von drei bis sieben Mitgliedern viele Mitglieder in Teilzeit beschäftigt, reicht das gemeinsame Stundenvolumen eventuell grundsätzlich nicht aus, um die BR-Arbeit in sachgemäßer Weise zu verrichten. Denn das gesetzliche Aufgabenspektrum der Betriebsräte ist bekanntlich gewaltig.

 

Was könnt Ihr tun, wenn Eure Freistellungszeit nicht ausreicht?

 

Wenn Ihr diese vorab beschriebene Situation im Gremium habt, ist es wichtig, dass Ihr sie als erstes als ein Problem identifiziert, das nicht mehr allein durch die Regelungen von § 37 Abs. 3 BetrVG gelöst werden kann. Dann solltet Ihr als Gremium besprechen, ob die interne Arbeitsaufteilung verändert werden kann. Vielleicht ist es möglich, dass die teilzeitbeschäftigten BR-Mitglieder bestimmte Aufgaben an andere Mitglieder abgeben. Denkbar wäre auch, eine Reihe von Aufgaben durch Büropersonal erledigen zu lassen. Sollten diese Möglichkeiten ausfallen oder ausgereizt sein, solltet Ihr versuchen, in Absprache mit der*dem Arbeitgeber*in eine individuelle Lösung für das Problem zu finden. Dies könnte zum Beispiel in einer (ggf. für die Dauer der Amtszeit befristeten) Erhöhung der arbeitsvertraglichen Stunden bestehen, die dann für die BR-Arbeit genutzt werden können. Bereitet diese Gespräche mit der*dem Arbeitgeber*in gut vor und lasst Euch nach Möglichkeit dabei von einem*r RA*in beraten, die*der sich sowohl mit dem individuellen als auch dem kollektiven Arbeitsrecht sehr gut auskennt, denn Ihr habt keinen zwingenden Rechtsanspruch auf eine solche Erhöhung. Der*die Arbeitgeber*in muss davon überzeugt werden, dass eine solche Regelung die beste Lösung für alle Beteiligten darstellt. Auch wenn es sich um die Situation von einzelnen BR-Mitgliedern handeln sollte, so betrifft sie letztlich das gesamte Gremium. Deshalb solltet Ihr auch als gesamtes Gremium diese Angelegenheit klären und gemeinsam sicherstellen, dass alle BR-Kolleg*innen die Bedingungen vorfinden, die ihnen ermöglichen, ihre BR-Arbeit frei von unangemessenen Widerständen und Schlechterstellung zu leisten – egal ob in Vollzeit oder Teilzeit.

 

 

[1] Statistisches Bundesamt (zuletzt 2019)

[2] Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 20.08.2015 – 26 Sa 2340/14.

[3] Bundesarbeitsgericht vom 19.03.2014 – 7 AZR 480/12

Betriebsrat sein – eine der komplexesten Aufgaben überhaupt!

Denkt man an Berufe mit einer großen Aufgabenfülle, viel Verantwortung und komplexen Anforderungen fällt einem wahrscheinlich das Management von großen Unternehmen, Spitzenpolitiker oder andere Jobs mit hohen Zugangsvoraussetzungen ein. Es spricht jedoch einiges dafür, dass das Amt des Betriebsrats eine der komplexesten und anspruchsvollsten Tätigkeiten überhaupt darstellt. Betriebsräte setzen sich in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten mit schwierigen und wechselnden Sachproblematiken auseinander und vertreten dabei die Rechte und Interessen von kleinen und großen, meist sehr gemischten Belegschaften. Im Umgang mit den Kolleg*innen und dem Arbeitgeber brauchen sie soziales und rhetorisches Geschick und Durchsetzungsvermögen. In allen Fragen müssen sie sich zudem erst im eigenen Gremium einigen und ein gemeinsames Vorgehen festlegen. Dies erfordert nicht nur eine gute Arbeits- und Zeitorganisation, sondern auch Kompromissbereitschaft und die Fähigkeit anderen zuhören zu können.

Für alle die, die die Aufgaben des Betriebsrates unterschätzen, kritische Kolleg*innen und Arbeitergeber*innen, die mal wieder die Erforderlichkeit von Freistellung infrage stellen ist es sinnvoll sich anhand des Betriebsverfassungsgesetzes einmal alle Aufgaben des Betriebsrates und was damit zusammenhängt zu vergegenwärtigen. Eine – sicherlich, nicht abschließende Liste:

 

Gremieninterne Aufgaben:

  • BR-Sitzungen durchführen (Tagesordnung festlegen, Beschlussfähigkeit sicherstellen, Protokoll erstellen, Sitzung leiten).
  • Inhaltliches vorbereiten der Sitzungen (Literaturrecherche, Unterlagen lesen, Vorbesprechungen in Ausschüssen oder Fraktionen).
  • Organisation des Gremiums (Gründung von Ausschüssen, Überblick über Urlaub und Abwesenheitszeiten, Vereinbarkeit von BR-Arbeit mit beruflichen und privaten Verpflichtungen gewährleisten, Ersatzmitglieder laden und in die BR-Arbeit integrieren).
  • Büro-Organisation (Ablagesystem sowohl physisch als auch digital, Datenschutz im BR-Büro sicherstellen, Informationsfluss im gesamten Gremium möglich machen, Materialbestand aufrechterhalten (Papier, Stifte, Ordner, aktuelle Technik, etc.)).
  • Schriftverkehr und Korrespondenz des Betriebsrates erledigen und organisieren (Briefe, E-Mails inklusive Ablage).
  • Teilnahme an Seminare organisieren (Anbieter recherchieren, Fortbildungsplan für alle BR-Mitglieder machen, Kostenübernahmen einholen).
  • Teambuilding (Konflikte innerhalb des Gremiums vermeiden bzw. lösen, Integration aller Mitglieder sicherstellen, etc., “Beziehungsarbeit” leisten).
  • Eigene Amtszeit prüfen und ggf. Wahlvorstand einsetzen.

 

Den Arbeitgeber betreffend:

  • Austausch mit dem Arbeitgeber (Monatsgespräche organisieren und durchführen).
  • Betriebsvereinbarungen verhandeln und als Beisitzer*innen in Einigungsstellen tätig sein.
  • Grobe Verstöße des Arbeitgebers gegen das BetrVG gerichtlich ahnden lassen Die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarung überwachen.

 

Einzelne Arbeitnehmer*innen betreffend:

  • Sprechstunden durchführen und Eingaben/Beschwerden der Belegschaft bzw. von einzelnen Kolleg*innen bearbeiten.
  • Kolleg*innen bei Personalgesprächen begleiten.
  • Beteiligung an BEM-Fällen und ggf. Mitgliedschaft in Integrationsteams.

 

Die gesamte Belegschaft betreffend:

  • Betriebs- und Abteilungsversammlungen organisieren (Raum und Technik organisieren, Einladung an Belegschaft AG und Gäste, inhaltliche Vorbereitung und Präsentation).
  • Transparenz: Betriebsöffentlichkeit auf dem Laufenden halten (schwarze Bretter, Internet, Intranet, Betriebszeitung, etc.).
  • Regelmäßige Betriebsbegehungen durchführen.

 

Personelle Angelegenheiten:

  • Vorschläge zur Personalplanung und Beschäftigungssicherung machen.
  • Auf Personelle Einzelmaßnahmen (Kündigung, Neueinstellung, Versetzung, Ein- und Umgruppierung) des Arbeitgebers reagieren (Vorgang prüfen, mit Betroffenen sprechen, diskutieren und beschließen).
  • Die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer*innen im Betrieb fördern.
  • Förderung von Berufsbildung und Ausübung von Mitbestimmung bei der konkreten Durchführung von Bildungsmaßnahmen.
  • Die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer*innen im Betrieb schützen und fördern, Diskriminierung im Betrieb entgegenwirken und Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bekämpfen.
  • Die Gleichstellung von Mann und Frau und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Betrieb fördern.

 

Soziale Angelegenheiten:

  • Urlaubspläne prüfen bzw. Mitbestimmungsrechte ausüben.
  • Arbeitszeitkonten und Personaleinsatzpläne prüfen bzw. Mitbestimmung ausüben.
  • Organisation betrieblicher Sozialeinrichtungen.
  • Ausübung der Mitbestimmung in anderen sozialen Angelegenheiten.

 

Zusammenarbeit mit anderen Stellen:

  • Zusammenarbeit mit der SBV bzw. auf die Wahl der SBV hinwirken und die Eingliederung von Schwerbehinderten im Betrieb fördern.
  • Teilnahme an Gesprächen mit dem Sicherheitsbeauftragten und Mitgliedschaft im Arbeitssicherheitsausschuss (ASA).
  • Stellungnahme zu Anträgen auf Gleichstellung beim Integrationsamt.
  • Unterzeichnung von Unfallanzeigen von den Unfallversicherungsträgern.
  • Zusammenarbeit mit der Jugend- und Auszubildendenvertretung.
  • Zusammenarbeit mit dem GBR und GWA (Übertragungen prüfen, Mitglieder entsenden, Anfragen stellen).
  • Kontakt zur Gewerkschaft (Einladung zu BR-Sitzungen, Austausch mit Betriebsgruppe, Info über zuständige*n Sekretär*in, Teilnahme an Vernetzungstreffen, etc.).
  • Beauftragung von RA*innen und Sachverständigen (Recherche, Terminabsprache, Treffen, Korrespondenz).

 

Weiteres:

  • Einsatz für den betrieblichen Umweltschutz.
  • Im Falle von Betriebsänderungen Interessenausgleich und Sozialpläne mit dem Arbeitgeber verhandeln.

 

Nicht umsonst hält auch die herrschende Kommentierung des Betriebsverfassungsgesetzes neben inhaltlichen Schulungen auch Veranstaltungen zum effektiven BR-Management für erforderlich (vgl. Fitting, BetrVG § 37 Rn. 152). Auch wir bieten Seminare zu diesem Thema und geführte Klausurtagungen an.

Hitze im Betrieb – was kann der Betriebsrat tun?

Metereolog*innen gehen davon aus, dass auch der Sommer 2019 außergewöhnlich heiß werden könnte. Hohe Temperaturen sind am Arbeitsplatz ein Problem und können zu erheblichen Belastungen und sogar gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.

Leider versäumen Arbeitgeber*innen es oft vorzubeugen und einzelne Arbeitnehmer*innen haben kaum Möglichkeiten Abhilfe zu schaffen. Was kann der Betriebsrat tun, um die heißen Sommerwochen für alle Kolleg*innen im Betrieb erträglich zu machen?

Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) verpflichtet den Arbeitgeber in § 3a die Arbeitsstätten so einzurichten, dass eine Gefährdung für die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden wird. Im Anhang der Verordnung wird in Ziffer 3.5 konkretisiert, dass sich dies auch auf die Raumtemperatur bezieht und nicht nur die Arbeits-, sondern auch die Pausenräume betrifft.

Aber was sind gesundheitlich zuträgliche Raumtemperaturen? Die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse dazu finden sich in der Arbeitsstättenregel Nummer 3.5 (ASR 3.5). Danach sollte die Lufttemperatur 26 °C nicht überschreiten. Bei höheren Außentemperaturen sind spätestens ab 30 °C kühlende Maßnahmen anzuwenden. Bei Temperaturen über 35 °C sollte in den betroffenen Räumen nicht mehr gearbeitet werden.

Die ASR 3.5 liefert damit wichtige Anhaltspunkte, ist aber keine zwingende Vorschrift. Wichtig ist hier vor allem, dass sich der Begriff „Raumklima“ nicht nur auf die messbaren Temperaturen, sondern auch auf andere Faktoren wie Luftfeuchtigkeit, Luftgeschwindigkeit und Wärmestrahlung bezieht. Ziel muss es sein, für die Beschäftigten einen Zustand der Behaglichkeit zu erreichen, also eine Klimasituation, die als optimal empfunden wird. Jeder Betrieb ist anders: Architektur, Gestaltung und Nutzung der Räume, Maschinen und technische Geräte, die konkrete Tätigkeit, Anzahl der Beschäftigten und Kund*innen und die Arbeitskleidung.[1] Ein erster Schritt muss deswegen sein, die Kolleg*innen dazu zu befragen, wie sie die Klimafaktoren im Betrieb tatsächlich wahrnehmen. Auch wenn die gemessenen Temperaturen den Vorgaben entsprechen, kann es trotzdem zu subjektiven Unbehaglichkeitsgefühlen der Beschäftigten kommen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) stellt hierzu mehrere hilfreiche Handreichungen zur Verfügung.

Raumklima ist ein recht komplexes Thema. Deswegen ist es auch Teil der vom Arbeitgeber nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung (konkretisiert in ASR V3). Der Betriebsrat hat bei der Gefährdungsbeurteilung grundsätzlich mitzubestimmen (vgl. Fitting: BetrVG § 87 Rn. 299). Er sollte durchsetzen, dass alle Klimafaktoren in angemessener Weise in die Gefährdungsbeurteilung mit einbezogen werden und die Wirksamkeitsprüfung auch anhand der subjektiven Wahrnehmung der Kolleg*innen vorgenommen wird. Die (nicht verbindliche) Information der gesetzlichen Unfallversicherung zum Thema Raumklima (DGVU 215-510) gibt in exemplarischen Fragebögen dafür gute Hinweise.

Die Gefährdungsbeurteilung kann ergeben, dass grundlegende, bauliche Veränderungen der Arbeitsstätte erforderlich sind, um das Raumklima zu verbessern. Vielleicht sind Sonnensegel oder auch weitergehende Raumlufttechnik (RLT) einzubauen. Für die heißen Monate können in einer gesonderten Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber aber auch besondere technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen vereinbart werden. Die Temperaturvorgaben der ASR 3.5 können als Anhaltspunkt genommen werden. Sie können für jeden Betrieb aber auch anders definiert werden. Auch sollte geregelt werden, wann und wie die Temperaturen gemessen werden. Konkrete Maßnahmen unterscheiden sich von Betrieb zu Betrieb, denn jede Betriebsstätte ist anders. Beispiele sind:

  • das Aufstellen von Ventilatoren,
  • Anwenden von Nachtauskühlung,
  • Vermeiden von direkter Sonneneinstrahlung,
  • das Ausschalten bestimmter wärmetreibender Geräte,
  • Bereitstellen von Getränken zum freien Verbrauch,
  • Lockern der Kleiderordnung,
  • mithilfe von Klimasplitgeräten in den Pausenräumen Kühlzonen errichten und vermehrte Abkühlpausen ermöglichen oder
  • Anpassen der Arbeits- und Pausenzeiten – Arbeitszeitverlagerung, sowie der Einsatz von mehr Personal.[2]

Der Betriebsrat kann und sollte im Rahmen seines Initiativrechts beim Thema Hitze bereits aktiv werden, wenn das Thermometer nicht schon 26 °C überschritten hat. Ein Mitbestimmungsrecht besteht bereits bevor feststeht, ob der Sommer wirklich so heiß wird wie vermutet. [3] Wenn es erst mal unerträglich heiß ist, ist es meist zu spät.

Hitze am Arbeitsplatz betrifft die allermeisten Tätigkeiten und macht die Bedeutung eines nachhaltigen Arbeits- und Gesundheitsschutzes für jede*n physische erlebbar. Es ist deswegen ein guter Startpunkt für Belegschaft und Betriebsrat, um sich intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen und dafür zu kämpfen die eigenen Arbeitsbedingungen in allen Aspekten gesundheitsgerecht zu gestalten.

Unser Grundlagenseminar „Einführung in den Arbeits- und Gesundheitsschutz“ bespricht die Mitbestimmung beim Arbeits- und Gesundheitsschutz, verschafft einen Überblick, nicht nur über das Thema Raumklima und hilft bei der Wahl der nächsten Schritte. Ebenso wie die Seminare zum Betriebsverfassungsgesetz zählt dieses Seminar zu den Grundlagen für die Betriebsratsarbeit und ist prinzipiell für jedes BR-Mitglied erforderlich.

[1] Es gibt sogar Studien wonach eine Wechselwirkung zwischen dem thermischen Raumklima und der „Arbeitsatmosphäre“, also der psychischen Belastung besteht.

[2] Für die letzten beiden Maßnahmen finden sich konkrete Beispiele in einer von der Hans-Böckler-Stifung herausgegebenen Sammlung vom Betriebsvereinbarungen. 

[3] vgl. Einen Artikel des Bund-Verlages zu diesem Thema.

 

Wieviel Geheimrat muss Betriebsrat?

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Nichtöffentlichkeit, Vertraulichkeit – das klingt, als wären Betriebsräte per Gesetz dazu verpflichtet, über den Großteil ihrer Tätigkeit zu schweigen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Geheimhaltungspflicht wird in der Praxis oft überschätzt. Eine fundierte Informationspolitik gehört zum Kern basisnaher Betriebsratstätigkeit.

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Die Geheimhaltungspflicht ist in § 79 BetrVG abschließend geregelt und gilt für Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Sie gilt nie gegenüber Mitgliedern des Betriebsrates, des Gesamtbetriebsrates, des Konzernbetriebsrats und allen weiteren, in Satz 4 aufgezählten innerbetrieblichen Institutionen. Damit ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegt, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Ist nur eine der Bedingungen nicht erfüllt, so liegt kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vor – und somit auch keine Geheimhaltungspflicht. Der Gesetzgeber stellt hier hohe Anforderungen, die selten erfüllt sind.

Die geheimzuhaltenden Tatsachen:

  1. … müssen wettbewerblich relevant im Zusammenhang mit dem technischen Betrieb oder der wirtschaftlichen Betätigung des Unternehmens sein.
  2. … dürfen nicht offenkundig sein. Sind sie einem größeren Kreis bekannt oder ist es problemlos möglich, an die Informationen zu gelangen, so sind diese kein Geheimnis, und die Geheimhaltungspflicht ist hinfällig.
  3. … müssen von der*dem Arbeitgeber*in explizit als „geheimhaltungsbedürftig“ bezeichnet werden – und nicht etwa nur als „vertraulich“.
  4. … müssen sich durch ein „berechtigtes wirtschaftliches Interesse“ des*der Arbeitgebers*in an der Geheimhaltung auszeichnen. Das ist der Fall, wenn eine Veröffentlichung einen Nachteil oder den Verlust eines Vorteils gegenüber der Konkurrenz zur Folge hätte.

Von der Pflicht zu Geheimhaltung ist ein gesetzeswidriges Verhalten immer ausgeschlossen. Das bedeutet, dass Arbeitszeitverstöße, Steuerhinterziehung, Unterschlagung von Sozialversicherungsbeiträgen etc. der Sache nach keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sein können – auch wenn die*der ein oder andere Arbeitgeber*in das vielleicht gerne so hätte. Genauso wenig fallen die Folgen von unternehmerischen Maßnahmen für die Belegschaft darunter. Beruft sich ein*e Arbeitgeber*in hier auf die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, so hat er*sie meist schlichtweg kein Interesse daran, die Belegschaft zu informieren, da diese sich ja wehren könnte.

 „Nichtöffentlichkeit“ – ein missverstandener Begriff

Die Annahme einer weitreichenden Verschwiegenheitsverpflichtung resultiert oft aus einer Fehlinterpretation des Begriffs „nichtöffentlich“. In § 30 BetrVG und § 42 (1) BetrVG wird auf diesen Begriff Bezug genommen und die Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen geregelt. Der Begriff Nichtöffentlichkeit bezieht sich ausschließlich auf den Kreis zugelassener Teilnehmer*innen zu Betriebsversammlung und Betriebsratssitzung. Bei Nichteinhaltung hat dies u. U. Folgen für die Wirksamkeit von Beschlüssen auf Betriebsratssitzungen. Nichtöffentlichkeit bedeutet kein Redeverbot über die Inhalte von Betriebsratssitzungen oder Betriebsversammlungen! Im Gegenteil! Es ist die Pflicht eines Betriebsrates, die Belegschaft so umfassend wie möglich zu informieren. Gleichzeitig stärkt eine umfassende Informationspolitik das Vertrauensverhältnis zwischen Betriebsrat und Belegschaft.

Worüber darf berichtet werden?

Betriebsratsmitglieder dürfen über fast alles berichten. Die einzigen Einschränkungen betreffen:

  • Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 79 BetrVG
  • Vertrauliche personelle Angelegenheiten gemäß
    • 82 (2) BetrVG Begleitung von Entgeltverhandlungen von Arbeitnehmer*innen
    • 83 (1) BetrVG Begleitung von Arbeitnehmer*innen bei Einsicht in die Personalakte
    • 99 (1) BetrVG Persönliche Verhältnisse und Angelegenheiten von Arbeitnehmer*innen im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen
  • Informationen, die dem Datenschutz unterliegen. Die Datenschutzgrundverordnung muss also beachtet werden.

Taktisches Stillschweigen

Manchmal ist es aus taktischen Gründen ratsam, dass ein Betriebsrat über eine Angelegenheit zeitweise Stillschweigen bewahrt, beispielsweise wenn eine frühe Veröffentlichung der*dem Arbeitgeber*in nützen kann – das heißt aber nicht, dass hier eine rechtliche Verpflichtung besteht. Und es bedeutet auch nicht, dass einzelne Betriebsratsmitglieder eine Schweigepflicht gegenüber ihrem Gremium haben oder die Absprache zum Stillschweigen als eine Verpflichtung gegenüber der*dem Arbeitgeber*in betrachtet wird. Eine Ausnahme gilt selbstverständlich, wenn die verschwiegenen Äußerungen Straftaten darstellen, wie beispielsweise Verletzung von Privatgeheimnissen, Beleidigung oder Verleumdung. Weiterhin darf durch die Äußerung die Funktionsfähigkeit des Betriebsrates oder seine Arbeit nicht beeinträchtigt werden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Weiter gilt für Betriebsratsmitglieder das Recht auf freie Meinungsäußerung. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht dürfen Betriebsratsmitglieder über Beschlüsse berichten – auch wenn sie beispielsweise in einem bestimmten Punkt von der Mehrheit abweichend beschlossen haben oder wenn sie eine andere Position als das Gremium vertreten bzw. sich das Gremium ihren Vorschlägen nicht anschließen wollte. Genauso wenig gilt eine Schweigepflicht, wenn ein Betriebsratsgremium gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstößt und sich einzelne Betriebsratsmitglieder deshalb an einen Rechtsbeistand wenden und die Angelegenheit gegenüber Belegschaft und Gewerkschaft öffentlich machen möchten.

Schweigepflicht ist eher die Ausnahme

Wenn Ihr unsicher seid, ob ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegt, holt Euch Rat bei einer Gewerkschaft oder einem Rechtsbeistand. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schweigepflicht rechtlich gesehen in der Betriebsratsarbeit eher die Ausnahme ist und im Sinne einer basisnahen Betriebsratsarbeit auch nicht zur Regel werden sollte. Das Bundesarbeitsgericht stellte bereits 1967 fest: „Im Allgemeinen besteht keine Pflicht der Betriebsratsmitglieder, über den Verlauf von Betriebsratssitzungen Stillschweigen zu bewahren. Eine solche Schweigepflicht ist vielmehr nur bei Vorliegen besonderer Umstände zu bejahen.“ https://www.jurion.de/urteile/bag/1967-09-05/1-abr-1_67/

Quellen:

http://www.sapler.igm.de/static/demokratie/079_BetrVG_Geheim_BR.pdf

https://msgler.verdi.de/der-betriebsrat/++co++b9473e36-3e0d-11e3-882f-52540059119e

https://betriebsgruppe-vattenfall.gewerkschaftverwaltungundverkehr.de/2017/10/14/ist-der-betriebsrat-ein-geheimrat/

https://www.bund-verlag.de/aktuelles~7-fragen-zur-geheimhaltungspflicht~

Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung – Eine wichtige Ergänzung für die betriebliche Mitbestimmung

Vertrauenspersonen für schwerbehinderte Beschäftigte gibt es in Deutschland fast so lange wie Betriebsräte. Vertrauenspersonen fördern die Eingliederung schwerbehinderter Menschen im Betrieb und vertreten deren Interessen gegenüber der*dem Arbeitgeber*in.

Die Turnuswahlen im Oktober und November letzten Jahres haben viele Betriebe genutzt, um bei sich das erste Mal eine Schwerbehindertenvertretung (SBV) zu installieren. Schon ab fünf schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten ist eine SBV zu wählen. Kleinere Betriebe können mit anderen Betrieben zusammengeschlossen werden, so dass in sehr vielen Betrieben die Wahl einer SBV möglich ist. Zudem haben Betriebsräte nach § 176 SGB IX die Pflicht, auf die Wahl einer Vertrauensperson hinzuwirken.

Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, sollten in allen Betrieben Schwerbehindertenvertretungen gewählt werden. Sie sind ein wichtiger Teil der betrieblichen Mitbestimmung, schützen die Rechte schwerbehinderter Menschen und tragen zu einem gesünderen Arbeitsumfeld für alle Beschäftigten bei.

Die Wahl einer SBV unterscheidet sich nur in wenigen Punkten von der Wahl des Betriebsrates. Wenn Ihr schon mal eine BR-Wahl organisiert habt, sollte die SBV-Wahl für Euch kein Problem darstellen. Worin bestehen die wesentlichen Unterschiede?

 

Wer darf wählen?

Das aktive Wahlrecht haben nur die schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten im Betrieb. Dies ist der wichtigste Unterschied zur BR-Wahl. Die SBV vertritt die Interessen der Schwerbehinderten und ist deswegen nur von Ihnen zu wählen. Übrigens haben auch schwerbehinderte leitende Angestellte und schwerbehinderte Beschäftigte unter 18 Jahren das aktive Wahlrecht.

Im Gegensatz dazu dürfen sich auch nicht-schwerbehinderte Beschäftigte als Kandidat*innen für die SBV aufstellen lassen. Das passive Wahlrecht haben alle Betriebsangehörigen – hiervon werden leitende Angestellte und die*der Integrationsbeauftragte des*der Arbeitgebers*in allerdings ausgenommen.

 

Wie ist es mit den Stellvertreter*innen?

Die Stellvertretung der Vertrauensperson wird in einem eigenen Wahlgang gewählt. Im Gegensatz zur BR-Wahl werden Kandidat*innen mit zu wenigen Stimmen also nicht automatisch Ersatzmitglieder, sondern müssen dafür extra kandidieren. Die Stellvertretung der SBV ist ein eigenes Amt. In Betrieben mit über 100 Schwerbehinderten kann die Stellvertretung sogar mit eigenen Aufgaben betraut werden. Der Wahlvorstand (WV) kann darüber entscheiden, wie viele Stellvertreter*innen gewählt werden. Sollten alle Stellvertreter*innen ausgeschieden sein, ist auch eine Nachwahl der Stellvertretung möglich.

 

Gibt es ein vereinfachtes Wahlverfahren?

Für Betriebe mit weniger als 50 schwerbehinderten Beschäftigten ist ein vereinfachtes Wahlverfahren vorgesehen. Im Unterschied zur BR-Wahl stellt dieses Verfahren wirklich eine Vereinfachung dar. Die Bestellung eines WV, Wahlausschreiben, Wählerliste und schriftliche Wahlvorschläge werden nicht benötigt. Die SBV und ihre Stellvertretung werden auf einer Wahlversammlung mittels eines*r Wahlleiters*in gewählt. Der Betriebsrat kann die Wahlberechtigten zu dieser Versammlung einladen, so dass in kleineren Betrieben innerhalb kürzester Zeit eine SBV installiert werden kann.

Das förmliche Wahlverfahren dauert etwas länger – es sind dieselben Fristen zu beachten wie beim normalen Wahlverfahren des BR. Um den Kolleg*innen unnötige Wege zu ersparen, kann der Wahlvorstand hier aber für alle Beschäftigten die Briefwahl beschließen.

Eine SBV auch in Eurem Betrieb zu installieren, ist also keine große Hürde. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter hat hierzu überdies ein hilfreiches Arbeitsheft herausgegeben.[1] Und natürlich stehen wir Euch als Recht und Arbeit bei allen Fragen zur Wahl einer SBV jederzeit zur Seite.

 

 

 

 

[1] https://www.integrationsaemter.de/wahl/484c/index.html

Über welches Grundlagenwissen muss jedes BR-Mitglied verfügen?

Das Betriebsverfassungsgesetz regelt in § 37 Abs. 6, dass BR-Mitglieder für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt werden müssen, sofern Inhalte vermittelt werden, die für die Arbeit im Betriebsrat erforderlich sind. § 40 BetrVG regelt weiter, dass die Arbeitgeberin die Kosten für diese Seminare zu übernehmen hat. Der Schulungsanspruch des Betriebsrates ist ein wichtiger Bestandteil der Betriebsverfassung. Betriebsräte sind keine technokratischen, sondern politische Gremien. Ihre Mitglieder werden nicht aufgrund besonderen Sachverstands gewählt, sondern weil die Kolleg*innen ihnen am ehesten zutrauen, ihre Interessen im Betrieb zu vertreten. BR-Mitglieder sind deswegen fast immer juristischen Laien. Das ist kein Mangel, sondern Teil der Idee betrieblicher Mitbestimmung. Umso wichtiger ist es, dass sie durch Schulungen in die Lage versetzt werden, die komplexen Fragen der BR-Arbeit bewältigen zu können. Schulungen helfen den Betriebsratsmitgliedern, gegenüber der Arbeitgeberin „intellektuelle Waffengleichheit“ herzustellen und auf Augenhöhe über alle betrieblichen Themen diskutieren und verhandeln zu können.

Aus dem Recht auf Schulungen wird damit auch eine Pflicht zur Schulung. Wie in allen anderen Bereichen, müssen sich auch BR-Mitglieder ein entsprechendes Wissen und Handwerkszeug aneignen, um in der Lage zu sein, ihre Aufgaben fach- und sachgerecht erfüllen zu können. Die Übernahme des BR-Amtes ist eine Verantwortung, der man nur dann gerecht werden kann, wenn man über das nötige Fach- und Methodenwissen verfügt. Sollten sich BR-Mitglieder konsequent weigern, an Schulungen teilzunehmen, kann dies sogar eine grobe Pflichtverletzung nach § 23 darstellen.[1]

Erforderliche Grundkenntnisse | Spezialkenntnisse

Aber welche Schulungen sind erforderlich? Diese Frage spielt in der betrieblichen Praxis eine wichtige Rolle. Die Rechtsprechung hat hier die hilfreiche Unterscheidung zwischen Grund- und Spezialkenntnissen entwickelt. Die Teilnahme an einer Schulung, auf der Spezialkenntnisse vermittelt werden, muss durch den Betriebsrat begründet werden. Er muss darlegen, dass das Thema aktuell ist oder in naher Zukunft im Betrieb relevant werden wird und das zu entsendende BR-Mitglied mit dem jeweiligen Thema betraut ist oder sein wird. Für Grundlagenschulungen muss die Erforderlichkeit hingegen nicht begründet werden. Jeder Betriebsrat hat ohne die Prüfung der konkreten betrieblichen Umstände immer Anspruch darauf, dass alle seine Mitglieder alle Grundlagenschulungen besuchen können.

Die Kenntnisse, die in Grundlagenschulungen vermittelt werden, sind also so wichtig und fundamental für die Arbeit im Betriebsrat, dass man ohne sie kaum in der Lage ist, sein Amt adäquat auszufüllen. Jedes Mitglied sollte sich diese Kenntnisse deswegen so schnell wie möglich aneignen. Sie sind die Grundlage dafür, der Verantwortung des BR-Amtes tatsächlich gerecht werden zu können.

Neben dem Betriebsverfassungsrecht gehören zu den Grundlagen vor allem auch Kenntnisse des allgemeinen Arbeitsrechts. Das individuelle Arbeitsrecht ist mit dem Betriebsverfassungsrecht in vielfacher Weise verwoben. Nicht nur im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungspflicht (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) und der Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen (§ 99 BetrVG), sondern auch bei seinen Unterstützungsaufgaben (§ 82 Abs. 2 Satz 2, § 83 Abs. 1 Satz 2, § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) und der Mitbestimmung bei sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG), hat der Betriebsrat quasi ständig mit dem Arbeitsrecht zu tun.[2] Es wäre fahrlässig, sich diesen Aufgaben zu stellen, ohne über das entsprechende Basiswissen zu verfügen.

Entsprechendes gilt auch für den Bereich des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung. Durch das BetrVG und eine Vielzahl anderer gesetzlicher Bestimmungen ist eine ständige Beteiligung des Betriebsrates in allen Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes angeordnet. Diese Aufgaben nimmt der Betriebsrat also nicht nur ab und zu wahr, sondern es handelt sich um eine Konstante, die sich durch die gesamte Arbeit des Gremiums zieht. Insofern ist auch hier eine Schulung aller BR-Mitglieder erforderlich.

Welche Schulungen Grundlagenwissen vermitteln, ist Gegenstand einer anhaltenden Diskussion. Die betrieblichen Gegebenheiten verändern sich und werden immer komplexer – und damit auch die Aufgaben der Betriebsräte. Auch gesetzliche Änderungen erweitern den Zuständigkeitsbereich der Gremien. So sollten auch Themen wie Beschäftigungssicherung und Beschäftigungsförderung, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), der im Betrieb geltende Tarifvertrag und der Datenschutz im Betrieb und BR-Büro unter das jeder Zeit erforderliche Grundwissen fallen.[3]

Spezialseminare umfassen eine große Bandbreite verschiedener anderer Themen sowie Vertiefungswissen. Um konkrete Fragen im Betrieb sachgerecht bearbeiten zu können, sind gezielt ausgewählte Spezialseminare unabdingbar. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es in vielen Gremien Mitglieder gibt, die sich noch nicht einmal das erforderliche Grundlagenwissen angeeignet haben. Im Sinne einer erfolgreichen und verantwortungsvollen BR-Arbeit sollte dies geprüft und gegebenenfalls so schnell wie möglich nachgeholt werden.

Grundlagenschulungen Spezialschulungen
Betriebsverfassungsrecht Verschiedene Arbeitszeit- und Entlohnungsmodelle
Arbeitsrecht Berufsbildung
Arbeits- und Gesundheitsschutz „Burn-Out“
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Frauenförderung und Gleichstellung
Im Betrieb geltender Tarifvertrag Suchtprävention
Datenschutz EDV in der BR-Arbeit
  u. v. a. …

 

 

[1] GK-BetrVG – Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz § 37 Rn. 171.

[2] Vgl. u. a. auch Bundesarbeitsgericht

Beschl. v. 16.10.1986, Az.: 6 ABR 14/84

[3] Vgl. jeweils Däubler BetrVG § 37 Rn. 112ff.