Wie können Präsenzseminare unter Corona-Bedingungen stattfinden? – Das R+A Hygienekonzept

Online-Seminare haben viele Vorteile und eignen sich durchaus als Wissensvermittlung für die Betriebsratsarbeit. Aber sie können das Lernerlebnis von Präsenzseminaren, vor allem das gemeinsame Anwenden erlernter Methoden, nicht ersetzen. Präsenzveranstaltungen können auch in der Corona-Zeit stattfinden, es muss jedoch eine Reihe von Dingen berücksichtigt werden. Beim persönlichen Zusammenkommen von Menschen ist immer Achtsamkeit erforderlich. Das wird sicherlich noch eine Weile so sein.

Wie organisieren wir als Recht und Arbeit während der Corona-Zeit unsere Präsenzseminare? Wir stellen Euch hier unser Hygienekonzept vor. Auch für die Organisation des Infektionsschutzes in Eurem Betrieb werdet Ihr vielleicht ein paar Ideen finden.

Einhaltung der Eindämmungsverordnungen

Die meisten unserer Seminare finden in Berlin statt, weswegen wir vor jeder Schulung die aktuelle Version der Berliner Eindämmungsverordnung[1] prüfen und genau beachten. Hier ist unter anderem vorgeschrieben, dass bei allen Veranstaltungen ein individuelles Schutz- und Hygienekonzept erstellt werden muss. Sowohl die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts[2] als auch die der Arbeitsschutzaufsichten sollen berücksichtigt werden. Auch Abstandsregeln und das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen sind geregelt. Die Maximalanzahl von Teilnehmer*innen bei beruflichen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen ist derzeit auf 20 festgelegt. Diese Gruppengröße wird bei unseren Seminaren immer unterschritten.

Die allermeisten Vorgaben betreffen das Verhalten im privaten und öffentlichen Raum. Für den Infektionsschutz bei beruflichen Veranstaltungen sind vergleichsweise wenige Regelungen getroffen. Umso wichtiger ist es, diese Vorgaben genau einzuhalten.

Die Verordnungen der Bundesländer unterscheiden sich voneinander. Prüft also zur Sicherheit auch die Verordnung Eures eigenen Bundeslandes.

Abstandsgebot

Das Abstandsgebot von mindestens 1,5 m gilt auch für unsere Seminare. Wir halten es ein, indem wir bei Tagungshotels größere Räume als sonst buchen, dabei orientieren wir uns an der Mindestfläche von 10 qm/Person aus der Corona-Arbeitsschutzpauschale – unsere Tagungspauschale hat sich trotzdem nicht erhöht. Bei Inhouse-Seminaren sprechen wir die Raumfrage mit dem jeweiligen Betriebsrat vorher ab. Auch die Sitzordnung und die Anordnung der Tische müssen entsprechend angepasst werden. Dadurch sind während des Seminars alle etwas weiter voneinander entfernt, was aber dem Erfolg des Seminars unserer Erfahrung nach nicht schadet.

Mund-Nasen-Bedeckung

In den Räumen der Veranstaltungsorte gilt überall eine Maskenpflicht, dies ist auch in der Berliner Eindämmungsverordnung so festgeschrieben. Am Sitzplatz, während des Seminars, muss jedoch keine Maske getragen werden. Wir haben uns aber seid November mit allen Teinehmer*innengruppen darauf geeinigt, dass alle – auch die Referent*innen immer eine Maske tragen. Sollten wir aber Gruppenübungen im Seminarraum bzw. Partner*innenarbeit machen, tragen alle Teilnehmer*innen in jedem Fall ihren Mund-Nasen-Schutz. Wir achten darauf, dass diese Übungen nicht zu lange dauern, so dass auch die Masken nicht zu lange getragen werden müssen. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) empfiehlt Tragezeitbegrenzungen und Erholungspausen entsprechend der DGUV-Regel 112-190 wie bei filtrierenden Halbmasken. Demnach sollten die Masken nur maximal 2 Stunden getragen werden, mit einer Erholungsdauer von 30 Minuten.

Lüften

Seitdem bekannt ist, dass sich das Coronavirus auch über so genannte Aerosole verbreiten kann, hat Lüften eine große Bedeutung bei allen Treffen in Innenräumen und damit auch bei unseren Seminaren. Als Gradmesser für die Aerosolbelastung dient die Co2-Sättigung im Raum. Wir benutzen bei allen Seminaren ein Co2-Messgerät, um durch permanente Prüfung sicherstellen zu können, dass wir zu jeder Zeit unter dem Richtwert der Sars-Cov-2-Arbeitsschutzregel[3] von 1.000 ppm bleiben. Zu Beginn des Seminars nutzen wir außerdem die Lüftungs-App der DGUV[4], um zusammen mit den Teilnehmer*innen einen Lüftungsplan für das Seminar zu erstellen. Hier kommt es auf die Größe des Raumes, die Anzahl der Teilnehmer*innen und die Möglichkeit der Frischluftzufuhr an. Bis jetzt konnten wir damit immer unter 800 ppm und bei größeren Räumen sogar deutlich darunterbleiben.

Regelmäßiges Lüften von Arbeitsräumen war auch vor Corona schon wichtiger Teil des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die Technische Regel ASR A3.6 “Lüftung” empfiehlt, Büroräume nach 60 min und Konferenzräume nach 20 Minuten zu lüften. Die Luftqualität sollte grundsätzlich der Außenluft entsprechen. In weniger stickigen und feuchten Räumen lässt es sich wesentlich besser arbeiten.[5]

Häufiges Lüften bedeutet nicht unbedingt, dass es in den Seminarräumen sofort sehr kalt werden muss. Da kalte Luft wesentlich schneller zirkuliert als warme Luft, reichen oft kurze Lüftungsintervalle schon aus. Für den Sommer empfiehlt die ASR A3.6 Stoßlüften von 10 Minuten, im Winter reichen jedoch schon 3 Minuten aus.

Das Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin führt einen lesenswerten Blog speziell zur Virenbelastung über Raumluft und die möglichen Gegenmaßnahmen.[6]

Symptome und Anwesenheit

Wenn angemeldete Teilnehmer*innen einschlägige Symptome wie Husten, Fieber, Geruchs- oder Geschmacksstörungen haben sollten, bitten wir sie, nicht zum Seminar zu erscheinen. Alle Teilnehmer*innen halten sich sehr verantwortungsvoll an diese Regeln, weswegen wir noch nie jemanden nach Hause schicken mussten. Wer aufgrund von Krankheit oder Corona-Symptomen nicht zum Seminar oder zu einzelnen Tagen kommen konnte, erhält von uns die Möglichkeit, diese Tage beim nächsten Termin ohne zusätzliche Seminarkosten nachzuholen (nur die Tagungspauschale muss der AG noch einmal bezahlen). Es ist zwar sehr schade, wenn jemand Seminarzeiten verpasst, aber so können wir zumindest sicherstellen, dass der- oder diejenige die Inhalte ohne große Probleme nachholen kann.

Auch wenn unsere Referent*innen Symptome haben sollten, werden sie nicht zum Seminar erscheinen, um niemanden zu gefährden. Wir sprechen dann kurzfristig mit den Teilnehmer*innen und finden entweder gemeinsam einen neuen Termin oder entscheiden zusammen, den Tag als Online-Seminar zu gestalten.

Sobald Antigen-Schnelltests zugelassen und in hoher Qualität verfügbar sind, werden wir allen Teilnehmer*innen zusätzliche solche Tests zur freiwilligen, zusätzlichen Prophylaxe zur Verfügung stellen.

Corona-Fälle und Nachverfolgung

Bisher hatten wir noch keine Corona-Fälle im Zusammenhang mit unseren Seminaren. Sollte es jedoch einmal dazu kommen, werden wir mit den zuständigen Gesundheitsämtern zusammenarbeiten und die Kontaktinformationen, die in unseren Anwesenheitslisten eingetragen sind, den Ämtern (ausschließlich) zum Zwecke der Kontaktnachverfolgung zur Verfügung stellen. Auch das ist in der Eindämmungsverordnung so geregelt.

Online-Seminare

Bei Inhouse-Seminaren mit ausschließlich Teilnehmer*innen eines Gremiums können wir auch von vornherein eine Online-Variante vereinbaren.  Wir verwenden dafür verschiedene Plattformen. Die Erfahrung zeigt, dass ein voller Seminartag mit acht Stunden online nicht zu empfehlen ist. Anders als bei Präsenzseminaren kann man sich bei Videokonferenzen nicht über einen so langen Zeitraum konzentrieren und fühlt sich danach oft übermäßig belastet. Hierzu gibt es bereits die ersten Studien[7]. Wir planen Online-Seminare deswegen in mehreren Blöcken von insgesamt maximal einem halben Seminartag – mit kurzen Bildschirmpausen nach maximal 45 Minuten. Den genauen Ablauf besprechen wir aber im Voraus immer gemeinsam mit dem Gremium.

Auch und gerade in der Corona-Zeit muss Eure Betriebsratsarbeit weitergehen können, und dazu gehören selbstverständlich auch Schulungen. Wenn man sich gemeinsam konsequent an die rechtlichen Vorgaben und wissenschaftlichen Empfehlungen hält, sind auch Präsenzschulungen in sicherer Form weiterhin möglich. Wir nehmen den Infektionsschutz sehr ernst und aktualisieren dieses Hygienekonzept ständig. Hinweise und Wünsche von Euch nehmen wir gerne auf.

[1] https://www.berlin.de/corona/massnahmen/verordnung/

[2] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV_node.html;jsessionid=6AD6EC64D2A0C64F1298E70F1D95E613.internet061

[3] https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/AR-CoV-2/AR-CoV-2.html

[4] https://www.dguv.de/de/mediencenter/pm/pressearchiv/2020/quartal_1/details_1_377742.jsp

[5] https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/ASR/ASR-A3-6.html

[6] https://blogs.tu-berlin.de/hri_sars-cov-2/

[7] https://www.ibe-ludwigshafen.de/zoom_fatigue/

Schulungsanspruch bei Grund- und Spezialseminaren

Wissen ist Macht – Der Schulungsanspruch von Betriebsräten

Die meisten Betriebsräte finden sich nach der Wahl in einer ungewohnten Situation wieder. Auf einmal muss man sich mit verschiedenen Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen auseinandersetzen und auf die Einhaltung der vielfältigen arbeitsrechtlichen Vorschriften durch den Arbeitgeber achten. Aber wie soll die Einhaltung von Recht und Gesetz kontrolliert und gemeinsam mit dem Arbeitgeber betriebliche Regelungen verhandelt werden, wenn keine Kenntnis über die Rechtslage und die Mitbestimmungsrechte besteht?

Diese Problematik hat auch der Gesetzgeber gesehen und daher im Betriebsverfassungsgesetz einen gesetzlichen Anspruch auf Weiterbildung für Betriebsräte geschaffen. Geregelt ist dieser Anspruch im § 37 Abs. 6 BetrVG. Demnach haben Betriebsräte einen Anspruch auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von Kenntnissen dann erforderlich, wenn diese „unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seinen gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann (BAG 9.10.1973 – 1 ABR 6/73). Denn das einzelne Betriebsratsmitglied kann nicht auf ein Selbststudium oder eine Unterrichtung durch ein bereits geschultes Betriebsratsmitglied verwiesen werden (BAG 19.03.2008 – 7 ABR 2/07). Soweit die Erforderlichkeit der Schulung besteht, hat der Arbeitgeber alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Kosten zu tragen (Seminarkosten, Reise- und Übernachtungskosten, Verpflegungskosten usw.) und für den Zeitraum der Schulung das reguläre Gehalt weiterzuzahlen.

Dabei besteht nicht nur ein Recht auf Schulung, sondern sogar eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht. Denn mit der Übernahme des Betriebsratsamtes haben die BR-Mitglieder neben der Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Aufgaben weitere Amtspflichten übernommen. Um dieses Amt verantwortungsgerecht ausüben zu können, sind spezielle Kenntnisse im Betriebsverfassungs- und im Arbeitsrecht notwendig. Jeder Betriebsrat hat sich daher auf sein Amt umfassend vorzubereiten und ist aus diesem Grund nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, sich die hierfür erforderlichen Kenntnisse durch entsprechende Seminare anzueignen (BAG 21.4.1983 – 6 ABR 70/82).

In der Praxis wird unterschieden zwischen Grundlagenseminaren und Spezialseminaren.

 

Grundlagenseminare

Soweit es sich um ein Grundlagenseminar handelt, muss nicht extra begründet werden, warum dieses Seminar erforderlich ist. Denn bei diesen Seminarinhalten handelt es sich um Grundlagenwissen, was grundsätzlich jedes Betriebsratsmitglied haben muss, um die Aufgaben im Betriebsrat ordnungsgemäß zu erfüllen. Daher werden Grundlagenseminare von der Rechtsprechung als stets erforderlich angesehen. Hier kommt es lediglich darauf an, dass bei der zeitlichen Festlegung des Seminartermins die betrieblichen Notwendigkeiten berücksichtigt werden (also wenn möglich nicht während des Weihnachtsgeschäftes oder während der Haupturlaubszeit auf Seminar fahren) und die Kosten im Rahmen bleiben (also nicht mit der 1. Klasse nach Mallorca zum Seminar fliegen, sondern sofern möglich lieber ortsnah). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dem Betriebsrat ein eigener Beurteilungsspielraum zugestanden wird, wann welches Betriebsratsmitglied zu welchem Seminar entsendet wird. Dies gilt sowohl für den konkreten Inhalt des Seminars, als auch für deren Dauer und die Anzahl der entsendeten Teilnehmer (BAG 9.10.1973 – 1 ABR 6/73).

Zu den Grundlagenseminaren gehören im Seminarprogramm u.a. die folgenden Themenbereiche:

Betriebsverfassungsrecht (Grundlagen I, II, III, IV, V)

Arbeitsrecht (Grundlagen I, II, III)

Arbeits- und Gesundheitsschutz  (Grundlagen)

Datenschutz (Grundlagen)

 

Spezialseminare

Neben den Grundlagenseminaren gibt es noch die sogenannten Spezialseminare. Diese Seminare vermitteln Spezialwissen, welches nicht immer für alle Betriebsräte als erforderlich angesehen wird. Im Falle der Spezialseminare müssen Betriebsräte ggf. die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme inhaltlich begründen. Nach Ansicht der Gerichte ist ein Spezialseminar immer dann erforderlich, „soweit nach den Verhältnissen des konkreten einzelnen Betriebes Fragen und Probleme anstehen oder in naher Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des BR unterliegen und bei denen im Hinblick auf den Wissensstand des konkreten BR eine Schulung von BR-Mitgliedern erforderlich erscheint, damit der BR seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann“ (BAG 20.08.2014 – 7 ABR 64/12). Etwas verständlicher ausgedrückt, muss also erstens eine konkrete Aufgabe des BR vorliegen. Zweitens müssen die zur Schulung entsendeten BR-Mitglieder mit dieser Aufgabe befasst sein (bspw. weil sie Mitglied der entsprechenden Verhandlungskommission bzw. des jeweiligen Ausschusses sind). Und Drittens muss den jeweiligen BR-Mitgliedern das notwendige Wissen zur sachgerechten Wahrnehmung ihrer Aufgaben fehlen und dieses Wissen im entsprechenden Seminar vermittelt werden. Auch hier hat der BR wieder einen Beurteilungsspielraum, welcher nur eingeschränkt gerichtlich zu überprüfen ist.

 

Sonderfall – Ersatzmitglieder und Wiederholungsschulungen

Sonderregelungen gelten für Ersatzmitglieder. Der Betriebsrat kann ein Ersatzmitglied zu einer Schulung entsenden, soweit dies erforderlich ist, „um die Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats zu gewährleisten (BAG 19.09.2001 – 7 ABR 32/00)“. Aber wann ist das der Fall? In der Praxis wird vor allem darauf abgestellt, wie oft das entsprechende Ersatzmitglied für verhinderte Kolleg*innen nachrücken muss. Soweit das Ersatzmitglied über einen längeren Zeitraum an mindestens einem Viertel aller Betriebsratssitzungen teilgenommen hat, kann ein Schulungsanspruch bestehen. Dies ist jedoch immer im konkreten Einzelfall festzustellen. Auch in dieser Frage ist von einem Beurteilungsspielraum des Betriebsrats auszugehen.

Ein andere Konfliktfall betrifft die sogenannten Wiederholungsschulungen, also Schulungen zur Auffrischung bzw. Wissensvertiefung zu Themen, zu denen bereits vor einiger Zeit ein Seminar besucht wurde. Auch solche Schulungen können erforderlich sein. Dies gilt vor allem für Bereiche, in denen eine schnelle Entwicklung/Veränderung stattfindet (also bspw. Computertechnik), bei Änderungen von Gesetzen oder der Rechtsprechung und bei neu auftretenden Konflikten im Betrieb. Der Betriebsrat muss jedoch in einem solchen Fall konkret darlegen, warum eine Schulung zu einem ähnlichen Thema aus Sicht des BR erneut erforderlich ist (LAG Nürnberg 1.9.2009 – 6 TaBV 18/09).

 

Stephan Puhlmann, Arbeitsrecht für Arbeitnehmer*innen

https://www.rechtsanwalt-puhlmann.de/

»Wie sag‘ ich es am besten?« – Erfolgreiche Gesprächsführung von Betriebsräten

Als Betriebsräte kommuniziert Ihr in vielen unterschiedlichen Situationen: in BR-Sitzungen, in Euren Sprechstunden, in Monatsgesprächen, bei Verhandlungen mit der*dem Arbeitgeber*in, bei BEM-Gesprächen, auf Betriebsversammlungen, auf Veranstaltungen, im Alltag mit Euren Kolleginnen und Kollegen, mit Gewerkschaftsvertreter*innen, anderen betrieblichen Akteur*innen usw.

 

Manchmal sind diese Gespräche leicht, und manchmal – darauf wette ich – rauben sie Euch den letzten Nerv. Da lohnt es sich zu fragen: Woran liegt es, dass einige Gespräche aus dem Ruder laufen? Wie kommt es, dass wir uns im Kreis drehen, nicht vorankommen und die ganze Angelegenheit ziemlich zäh und anstrengend wird? Warum haben wir mitunter das Gefühl, dass wir die Zügel aus der Hand gegeben haben und das Gespräch nicht mehr steuern können? Aus welchen Gründen finden wir zu bestimmten Gesprächspartner*innen einfach keinen Zugang? Wieso lief ein Gespräch schief, obwohl ich die viel besseren Argumente hatte? Ganz allgemein gefragt: Warum erreichen wir manchmal unser Gesprächsziel nicht?

 

Inhalt und Beziehung – Es gibt keine rein sachlichen Gespräche

 

Oft höre ich von Betriebsräten in Seminaren, dass es ja wohl möglich sein muss, ein sachliches Gespräch zu führen – schließlich sind wir alle erwachsen und könnten uns doch bitteschön mal für eine halbe Stunde zusammenreißen … Tja, so einfach ist das nicht. Eine wichtige Erkenntnis: Es gibt keine rein sachlichen Gespräche. Es gibt immer auch eine Beziehungsebene, und die ist gesprächsentscheidend. Jede*r Beteiligte ist in einer bestimmten emotionalen Verfassung, die sich im Verlaufe eines Gesprächs mehrfach ändern kann, denn alles, was gesagt wird, hat eine Wirkung – und zwar nicht nur eine inhaltliche. Es kann beispielsweise passieren, dass ich mit einem bestimmten Vorschlag oder einer Forderung meine*n Arbeitgeber*in während einer Verhandlung verärgere, schockiere, kränke, verunsichere, verlegen mache, enttäusche oder dergleichen. Dementsprechend reagiert er*sie dann auf mich. Spürbar ist das zum Beispiel am Tonfall, einer schnippischen Bemerkung oder einer bestimmten Geste (Augen rollen, auf den Tisch hauen, anhaltendes Kopfschütteln). Und was machen wir daraufhin? In der Regel: weiter argumentieren, denn das haben wir alle gelernt; darauf sind wir fokussiert. Doch leider fängt hier ein Teufelskreis an. Diesen gilt es geschickt zu durchbrechen, und dafür gibt es sehr hilfreiche Methoden, die Ihr erlernen könnt. Richtig angewendet, führen diese Methoden dazu, dass Euer Gegenüber nicht aus der inhaltlichen Auseinandersetzung aussteigt, sondern Ihr im Austausch bleibt. Also: Es gibt keine rein sachlichen Gespräche, aber es gibt Gespräche, in denen wir uns auf die Sache konzentrieren können. Das ist ein himmelweiter Unterschied – und es erfordert, immer auch die Beziehungsebene im Blick zu haben.

 

Die große Management-Trainerin Vera F. Birkenbihl brachte es einmal so auf den Punkt:

»Es ist nicht entscheidend, was ich sage, sondern was der andere hört.«

 

Wie könnt Ihr Gespräche grundsätzlich positiv beeinflussen?

 

Viele Dinge spielen eine Rolle, wenn es um erfolgreiche Kommunikation geht. Eure Körpersprache gehört genauso dazu wie alles, was Ihr sagt. Ziel sollte immer sein, das Vertrauen des Gegenübers zu erlangen, denn dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er*sie sich öffnet und bereit für einen konstruktiven Austausch, für Kritik und neue Wege ist. Dieses Vertrauen entsteht, wenn Ihr einerseits klar, echt und verlässlich Eure eigenen Standpunkte vertretet (Authentizität) und wenn es Euch gleichzeitig gelingt, glaubwürdiges Verständnis für Eure*n Gesprächspartner*in zu zeigen. Es geht nicht darum, die gleiche Sichtweise zu teilen! Es ist nämlich möglich, Verständnis zu zeigen und trotzdem anderer Meinung zu sein. Auch hier greifen wirksame Methoden und Techniken sowie »gute Fragen«, die immer hilfreich sind.

 

Wertschätzung ist die Basis für alles

 

Das große Stichwort in (schwierigen) Gesprächen lautet: Wertschätzung. Und die gute Nachricht ist: Wertschätzung könnt Ihr auch jemandem entgegenbringen, den Ihr nicht leiden könnt, mit dem Ihr schlechte Erfahrungen gemacht habt oder mit dem »die Chemie nicht stimmt«. Es ist eigentlich ganz einfach: Sobald ich einen Menschen im Gespräch nicht mehr wertschätzend behandele, wirkt sich das negativ auf den gesamten Verlauf aus. Der*die Andere blockt ab, stellt sich quer, hat keine Lust, mir entgegenzukommen usw. Das kann passieren, ohne dass es mir als Redner*in bewusst ist, weil ich eigentlich dachte, dass ich doch völlig normal rede und durchaus freundlich bin … So können eine BR-Sitzung, eine Verhandlung oder eine Beratung in die völlig falsche Richtung laufen, ohne dass mir klar ist, warum.

 

Was lernt Ihr in einem Kommunikationsseminar von Recht und Arbeit?

 

In dem Seminar lernt Ihr, wie Ihr Euch in herausfordernden Gesprächen als Betriebsräte verbal und nonverbal so verhalten könnt, dass es Eurem Gesprächsziel nutzt. Ganz nebenbei helfen Euch die Gesprächstechniken auch in allen anderen Situationen Eures Lebens, in denen Ihr Euch fragt: »Wie sag‘ ich es am besten?«

 

Wir schauen uns wichtige theoretische Grundlagen an, vor allem aber machen wir praktische Übungen zu konkreten Situationen aus Eurem Betriebsratsalltag. Ihr könnt alles auf den Tisch bringen, was Euch beschäftigt, alle Fragen stellen und mit mir und den anderen Teilnehmer*innen gern lebhaft diskutieren. Ich gebe im Seminar die Dinge als Tipps an Euch weiter, von deren positiver Wirkung ich überzeugt bin, weil sie mir in meinem eigenen Berufs- und Privatleben vielfach geholfen haben. Vielleicht überzeugen die Gesprächsmethoden auch Euch – einen Versuch ist es allemal wert. Übrigens, auch ich lerne in Seminaren immer etwas dazu. Und es wird gelacht, versprochen.

Claudia Erler, Kommunikationstrainerin und Mediatorin

Die häufigsten Einwände der Arbeitgeberin gegen eine Betriebsratsschulung – Teil 1: Die Kosten seien zu hoch

Der Schulungsanspruch des Betriebsrates ist ein wichtiger Bestandteil der Betriebsverfassung. Betriebsräte sind keine technokratischen, sondern politische Gremien. Ihre Mitglieder werden nicht aufgrund besonderen Sachverstands gewählt, sondern weil die Kolleg*innen ihnen am ehesten zutrauen, ihre Interessen im Betrieb zu vertreten. BR-Mitglieder sind deswegen fast immer juristischen Laien. Das ist kein Makel, sondern Teil der Idee betrieblicher Mitbestimmung. Umso wichtiger ist es, dass sie durch Schulungen in die Lage versetzt werden, die komplexen Fragen der BR-Arbeit bewältigen zu können. Schulungen helfen den Betriebsratsmitgliedern, gegenüber der Arbeitgeberin „intellektuelle Waffengleichheit“ herzustellen und auf Augenhöhe über alle betrieblichen Themen diskutieren und verhandeln zu können. “Es gehört damit zu den Amtspflichten des Betriebsrats, sich das für seine Arbeit erforderliche Fachwissen anzueignen.”[1]

 

Viele BR-Gremien und BR-Mitglieder nehmen ihren Weiterbildungsanspruch jedoch nicht im erforderlichen Maß in Anspruch. Dies kann unterschiedlichste Gründe haben.[2] Oft liegt es aber an der Arbeitgeberin, die Einwände gegen den Seminarbesuch hat und die Seminarplanung für die Betriebsräte erschwert. Im Folgenden haben wir für Euch eine Liste der häufigsten Einwände zusammengestellt und erläutern, wie sie zu bewerten sind.

 

„Die Kosten sind zu hoch“

Eine arbeitgebernahe Studie hat im Jahr 2003 errechnet, dass in größeren Unternehmen pro Jahr und pro Arbeitnehmer*in 18,00 € für BR-Schulungen ausgegeben werden.[3] Dagegen steht, dass Unternehmen nach einer aktuellen Studie insgesamt bis zu 560,00 € pro Arbeitnehmer*in im Jahr für betriebliche Weiterbildung ausgeben.[4] BR-Schulungen werden also immer nur einen kleinen Teil des gesamten Weiterbildungsbudgets ausmachen. Dennoch kommt von Arbeitgeberinnenseite häufig das Argument, ein gebuchtes BR-Seminar sei zu teuer und könne deswegen nicht besucht werden. Oder der Betriebsrat müsse sich auf die Suche nach einem günstigeren Seminar machen. Was ist von diesem Argument zu halten?

Die Arbeitgeberin hat entsprechend § 40 BetrVG grundsätzlich die Kosten für erforderliche Seminare des Betriebsrates zu tragen. Neben der Erforderlichkeit muss der Betriebsrat jedoch auch beachten, dass der Preis verhältnismäßig ist.[5] Damit ist gemeint, dass der zeitliche Umfang, die Lage des Seminarortes, die Anzahl der entsendeten BR-Mitglieder und der Preis eines Seminars in einem nachvollziehbaren Verhältnis zum Schulungsziel des Betriebsrates stehen sollen. Mit anderen Worten: Der Betriebsrat soll nicht mehr Geld ausgeben als nötig, um sich das gewünschte Wissen anzueignen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Betriebsrat gezwungen wäre, vor jedem Seminarbesuch eine ausführliche Marktanalyse vorzunehmen und immer das günstigste Seminar zu buchen.[6] Die Preise der meisten Anbieter von Betriebsratsschulungen unterscheiden sich nicht erheblich voneinander. Hier eine Reihe von Seminarpreisen, die im Rahmen von Arbeitsgerichtsverfahren explizit als verhältnismäßig anerkannt oder zumindest nicht beanstandet wurden:

  1. 4-tägige Wirtschaftsausschussschulung für 1.246,00 € pro Person – LAG Hessen v. 11.03.2019 – 16 TaBV 201/18
  2. 4-tägige Kompaktschulung zu BetrVG I und II für 1.350,00 € pro Person – LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 20.09.2016 – 5 TaBV 21/15
  3. 4-tägige Spezialschulung zu einer Personalplanungssoftware für 1.190,00 € pro Person – LAG Berlin-Brandenburg v. 20.04.2016 – 15 TaBV 52/16
  4. 4-tägiges Seminar zur Mobbing-Prävention für 1.188,00 € pro Person – BAG v. 14.01.2015 – 7 ABR 95/12
  5. 4-tägiges Inhouse-Seminar zur Mitbestimmung beim Arbeitsschutz für 9.180,00 € für ein 11-köpfiges Gremium – LAG Berlin-Brandenburg v. 28.02.2017 – 11 TaBV 1626/16
  6. 1-tägige Inhouse-Schulung zum normalen Wahlverfahren für 2.080,00 € für ein 5-köpfiges Gremium – LAG Hessen v. 26.03.2018 – 16 TaBVGa 57/1

Sofern sich Euer angestrebtes Seminar in etwa im Rahmen dieser marktüblichen Preise bewegt, kann die Arbeitgeberin keine Einwände gegen die Schulung haben. Auch seid Ihr bei zwei Seminarangeboten nicht gezwungen, immer das günstigere zu nehmen. Nur wenn es zwei Schulungen gibt, die zum selben Zeitpunkt stattfinden und vom Betriebsrat als qualitativ gleichwertig eingeschätzt werden, wäre der Betriebsrat im Hinblick auf die Kostenschonung der Arbeitgeberin dazu veranlasst, die günstigere Schulung zu buchen.[7] Grundsätzlich darf der Betriebsrat sich für jene Schulung entscheiden, die ihm am besten geeignet erscheint.

Arbeitgeberinnen führen manchmal ins Feld, dass die Kosten im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Unternehmens stehen müssen. Dass ein Unternehmen tatsächlich wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Kosten des Rechtsanspruches auf Weiterbildung des Betriebsrates zu schultern, ist höchst selten und kann nur einen „Grenzfall“[8] darstellen. In jedem Fall kann die Arbeitgeberin dies nicht einfach behaupten und damit bereits den Schulungsanspruch des Betriebsrates beschneiden, sondern müsste es anhand konkreter betriebswirtschaftlicher Kennzahlen dem Betriebsrat gegenüber belegen.[9] Tatsächlich ist uns kein Fall bekannt, in dem ein Arbeitsgericht die Arbeitgeberin von der Pflicht zur Kostentragung entbunden hätte, weil die finanzielle Belastung zu groß gewesen wäre.[10]

 

Betriebsräte sind nicht an Vorgaben der Vergabeordnung gebunden

Häufiger sehen wir auch den Fall, dass Betriebsräte von ihrer Arbeitgeberin gebeten werden, mindestens drei Angebote verschiedener Anbieter für ein Seminar einzuholen und sich dann für das günstigste dieser Angebote zu entscheiden. Oftmals (aber nicht immer) handelt es sich hier um Unternehmen, die tatsächlich oder vermeintlich zu den öffentlichen Auftraggebern nach § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zählen. Das sind Unternehmen, die überwiegend durch die öffentliche Hand finanziert werden und im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfüllen. Diese Unternehmen unterliegen besonderen Vorgaben, wenn sie Aufträge vergeben. Bei kleineren Aufträgen ist dies die Pflicht, mindestens drei Bewerber*innen zur Angebotsabgabe aufzufordern.[11] Dies soll dem Zweck der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel dienen. Die Frage ist nun: Kann dies auch für in diesen Unternehmen gebildete Betriebsräte gelten? In welchem Verhältnis könnten die Vergabeordnung und das Betriebsverfassungsgesetz stehen?

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg stellt klar, dass der Betriebsrat nicht an die Vorgaben der Vergabeordnung gebunden ist. Auch wenn die Arbeitgeberin eine öffentliche Auftraggeberin ist, so ist der dort gebildete Betriebsrat dies noch lange nicht. „Die Aufgaben, Befugnisse und Kompetenzen eines Betriebsrates haben mit Ausnahme der im Betriebsverfassungsgesetz selbst geregelten Modalitäten (z. B. § 118 BetrVG) keine Relation zu den jeweiligen Aufgaben und Zielsetzungen des Arbeitgebers“.[12] Die Arbeitgeberin erfüllt Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, der Betriebsrat hat dagegen die im BetrVG geregelten Aufgaben der Interessenvertretung der jeweiligen Belegschaft. Diese Trennung ist für die Arbeit des Betriebsrates sehr wichtig: „Die autonome Interessenwahrnehmung sowie die Unabhängigkeit des Betriebsrats vom Arbeitgeber ist demnach ein Strukturprinzip der Betriebsverfassung.“[13]

Das bedeutet also: Als Betriebsrat seid Ihr nie dazu gezwungen, mindestens drei Angebote für Schulungen einzuholen und Euch dann für das günstigste zu entscheiden. Auch an sonstige Vorgaben der Vergabeordnung müsst Ihr Euch nicht halten. Natürlich kann es trotzdem sinnvoll sein, mehrere Angebote einzusehen und sich aus den verschiedenen Ausschreibungen genau den Anbieter auszusuchen, der Euch am meisten zusagt. Aber das ist Eure freiwillige Entscheidung, keine Verpflichtung. Prinzipiell kann es hilfreich sein, der Arbeitgeberin gegenüber sichtbar zu machen, dass Ihr Eure Bildungsplanung professionell und überlegt durchführt und es somit Hand und Fuß hat, wenn Ihr Euch für ein bestimmtes Seminar entschieden habt.

Zusammenfassung:

Dass eine für den Betriebsrat erforderliche Schulung zu teuer sein könnte, ist ein absoluter Ausnahmefall. Zum einen ähneln sich die Preise der Anbieter und liegen in den allermeisten Fällen im marktüblichen Bereich. Zum anderen sind Unternehmen mit Betriebsrat grundsätzlich leistungsfähig genug, um den – vergleichsweise kleinen – Anteil für Betriebsratsschulungen aufzubringen.

In den folgenden Beiträgen werden wir uns außerdem mit folgenden Einwänden beschäftigen:

  1. Die Schulung ist nicht erforderlich.
  2. Der Zeitpunkt der Schulung ist ungeeignet.
  3. Die Schulung ist nicht zweckmäßig, sie hilft dem BR nicht, seine Arbeit erfolgreich zu machen.
  4. Reise-, Übernachtungs- und Tagungskosten können nicht übernommen werden.
  5. Nur ein Mitglied des Gremiums soll entsandt werden.
  6. Der Betriebsrat verfügt bereits über das entsprechende Wissen.

 

[1] Bundesarbeitsgericht, 21.04.1983 – 6 ABR 70/82.

[2] Ergebnis einer Befragung unter mehreren Tausend Betriebsräten war, das Gewerkschaftsmitglieder, BR-Vorsitzende und Freigestellte deutlich mehr Seminare besuchen. BR-Mitglieder mit Hochschulabschluss, Kolleg*innen in kleineren und mittleren Unternehmen und auch Frauen in den Gremien dagegen eher weniger Seminare. Eva Ahlene u.a.: Weiterbildungsverhalten von Betriebsräten – Ergebnisse einer repräsentativen Befragung. 2017.

[3] Horst-Udo Niedenhoff: Die direkten Kosten der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes. 2004.

[4] Susanne Seyda / Beate Placke: Die neunte IW-Weiterbildungserhebung. Kosten und Nutzen betrieblicher Weiterbildung. 2017.

[5] Dies geht auf ein älteres Urteil des BAG zurück, BAG, 31.10.1972 – 1 ABR 7/72.

[6] Bundesarbeitsgericht, 19. März 2008 – 7 ABR 2/07.

[7] Fitting 27. Aufl. § 40 Rn. 74.

[8] Christoph Domernicht: Kosten und Sachaufwand des Betriebsrates. 2018.

[9] LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 20.09.2016 – 5 TaBV 21/15.

[10] In einem Verfahren vor dem LAG Hamm wurde es z.B. als unbeachtlich angesehen, dass der Betriebsrat im fraglichen Jahr bereits über 17.000 € an Seminarkosten verursacht und dass das Unternehmen im Vorjahr mit einem negativen Betriebsergebnis von 1,8 Millionen € abgeschlossen hatte. LAG Hamm v. 08.07.2005 – 10 Sa 2053/04

[11] Vgl. § 3 Abs. 1 Vergabe-und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) 2009.

[12]LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.03.2016, 24 TaBV 1939 / 15 D.

[13] Bundesarbeitsgericht, 11.11.1997 – 1 ABR 21/97.

 

Über welches Grundlagenwissen muss jedes BR-Mitglied verfügen?

Das Betriebsverfassungsgesetz regelt in § 37 Abs. 6, dass BR-Mitglieder für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt werden müssen, sofern Inhalte vermittelt werden, die für die Arbeit im Betriebsrat erforderlich sind. § 40 BetrVG regelt weiter, dass die Arbeitgeberin die Kosten für diese Seminare zu übernehmen hat. Der Schulungsanspruch des Betriebsrates ist ein wichtiger Bestandteil der Betriebsverfassung. Betriebsräte sind keine technokratischen, sondern politische Gremien. Ihre Mitglieder werden nicht aufgrund besonderen Sachverstands gewählt, sondern weil die Kolleg*innen ihnen am ehesten zutrauen, ihre Interessen im Betrieb zu vertreten. BR-Mitglieder sind deswegen fast immer juristischen Laien. Das ist kein Mangel, sondern Teil der Idee betrieblicher Mitbestimmung. Umso wichtiger ist es, dass sie durch Schulungen in die Lage versetzt werden, die komplexen Fragen der BR-Arbeit bewältigen zu können. Schulungen helfen den Betriebsratsmitgliedern, gegenüber der Arbeitgeberin „intellektuelle Waffengleichheit“ herzustellen und auf Augenhöhe über alle betrieblichen Themen diskutieren und verhandeln zu können.

Aus dem Recht auf Schulungen wird damit auch eine Pflicht zur Schulung. Wie in allen anderen Bereichen, müssen sich auch BR-Mitglieder ein entsprechendes Wissen und Handwerkszeug aneignen, um in der Lage zu sein, ihre Aufgaben fach- und sachgerecht erfüllen zu können. Die Übernahme des BR-Amtes ist eine Verantwortung, der man nur dann gerecht werden kann, wenn man über das nötige Fach- und Methodenwissen verfügt. Sollten sich BR-Mitglieder konsequent weigern, an Schulungen teilzunehmen, kann dies sogar eine grobe Pflichtverletzung nach § 23 darstellen.[1]

Erforderliche Grundkenntnisse | Spezialkenntnisse

Aber welche Schulungen sind erforderlich? Diese Frage spielt in der betrieblichen Praxis eine wichtige Rolle. Die Rechtsprechung hat hier die hilfreiche Unterscheidung zwischen Grund- und Spezialkenntnissen entwickelt. Die Teilnahme an einer Schulung, auf der Spezialkenntnisse vermittelt werden, muss durch den Betriebsrat begründet werden. Er muss darlegen, dass das Thema aktuell ist oder in naher Zukunft im Betrieb relevant werden wird und das zu entsendende BR-Mitglied mit dem jeweiligen Thema betraut ist oder sein wird. Für Grundlagenschulungen muss die Erforderlichkeit hingegen nicht begründet werden. Jeder Betriebsrat hat ohne die Prüfung der konkreten betrieblichen Umstände immer Anspruch darauf, dass alle seine Mitglieder alle Grundlagenschulungen besuchen können.

Die Kenntnisse, die in Grundlagenschulungen vermittelt werden, sind also so wichtig und fundamental für die Arbeit im Betriebsrat, dass man ohne sie kaum in der Lage ist, sein Amt adäquat auszufüllen. Jedes Mitglied sollte sich diese Kenntnisse deswegen so schnell wie möglich aneignen. Sie sind die Grundlage dafür, der Verantwortung des BR-Amtes tatsächlich gerecht werden zu können.

Neben dem Betriebsverfassungsrecht gehören zu den Grundlagen vor allem auch Kenntnisse des allgemeinen Arbeitsrechts. Das individuelle Arbeitsrecht ist mit dem Betriebsverfassungsrecht in vielfacher Weise verwoben. Nicht nur im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungspflicht (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) und der Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen (§ 99 BetrVG), sondern auch bei seinen Unterstützungsaufgaben (§ 82 Abs. 2 Satz 2, § 83 Abs. 1 Satz 2, § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) und der Mitbestimmung bei sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG), hat der Betriebsrat quasi ständig mit dem Arbeitsrecht zu tun.[2] Es wäre fahrlässig, sich diesen Aufgaben zu stellen, ohne über das entsprechende Basiswissen zu verfügen.

Entsprechendes gilt auch für den Bereich des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung. Durch das BetrVG und eine Vielzahl anderer gesetzlicher Bestimmungen ist eine ständige Beteiligung des Betriebsrates in allen Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes angeordnet. Diese Aufgaben nimmt der Betriebsrat also nicht nur ab und zu wahr, sondern es handelt sich um eine Konstante, die sich durch die gesamte Arbeit des Gremiums zieht. Insofern ist auch hier eine Schulung aller BR-Mitglieder erforderlich.

Welche Schulungen Grundlagenwissen vermitteln, ist Gegenstand einer anhaltenden Diskussion. Die betrieblichen Gegebenheiten verändern sich und werden immer komplexer – und damit auch die Aufgaben der Betriebsräte. Auch gesetzliche Änderungen erweitern den Zuständigkeitsbereich der Gremien. So sollten auch Themen wie Beschäftigungssicherung und Beschäftigungsförderung, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), der im Betrieb geltende Tarifvertrag und der Datenschutz im Betrieb und BR-Büro unter das jeder Zeit erforderliche Grundwissen fallen.[3]

Spezialseminare umfassen eine große Bandbreite verschiedener anderer Themen sowie Vertiefungswissen. Um konkrete Fragen im Betrieb sachgerecht bearbeiten zu können, sind gezielt ausgewählte Spezialseminare unabdingbar. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es in vielen Gremien Mitglieder gibt, die sich noch nicht einmal das erforderliche Grundlagenwissen angeeignet haben. Im Sinne einer erfolgreichen und verantwortungsvollen BR-Arbeit sollte dies geprüft und gegebenenfalls so schnell wie möglich nachgeholt werden.

Grundlagenschulungen Spezialschulungen
Betriebsverfassungsrecht Verschiedene Arbeitszeit- und Entlohnungsmodelle
Arbeitsrecht Berufsbildung
Arbeits- und Gesundheitsschutz „Burn-Out“
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Frauenförderung und Gleichstellung
Im Betrieb geltender Tarifvertrag Suchtprävention
Datenschutz EDV in der BR-Arbeit
  u. v. a. …

 

 

[1] GK-BetrVG – Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz § 37 Rn. 171.

[2] Vgl. u. a. auch Bundesarbeitsgericht

Beschl. v. 16.10.1986, Az.: 6 ABR 14/84

[3] Vgl. jeweils Däubler BetrVG § 37 Rn. 112ff.