Die häufigsten Einwände der Arbeitgeberin gegen eine Betriebsratsschulung – Teil 1: Die Kosten seien zu hoch

Der Schulungsanspruch des Betriebsrates ist ein wichtiger Bestandteil der Betriebsverfassung. Betriebsräte sind keine technokratischen, sondern politische Gremien. Ihre Mitglieder werden nicht aufgrund besonderen Sachverstands gewählt, sondern weil die Kolleg*innen ihnen am ehesten zutrauen, ihre Interessen im Betrieb zu vertreten. BR-Mitglieder sind deswegen fast immer juristischen Laien. Das ist kein Makel, sondern Teil der Idee betrieblicher Mitbestimmung. Umso wichtiger ist es, dass sie durch Schulungen in die Lage versetzt werden, die komplexen Fragen der BR-Arbeit bewältigen zu können. Schulungen helfen den Betriebsratsmitgliedern, gegenüber der Arbeitgeberin „intellektuelle Waffengleichheit“ herzustellen und auf Augenhöhe über alle betrieblichen Themen diskutieren und verhandeln zu können. “Es gehört damit zu den Amtspflichten des Betriebsrats, sich das für seine Arbeit erforderliche Fachwissen anzueignen.”[1]

 

Viele BR-Gremien und BR-Mitglieder nehmen ihren Weiterbildungsanspruch jedoch nicht im erforderlichen Maß in Anspruch. Dies kann unterschiedlichste Gründe haben.[2] Oft liegt es aber an der Arbeitgeberin, die Einwände gegen den Seminarbesuch hat und die Seminarplanung für die Betriebsräte erschwert. Im Folgenden haben wir für Euch eine Liste der häufigsten Einwände zusammengestellt und erläutern, wie sie zu bewerten sind.

 

„Die Kosten sind zu hoch“

Eine arbeitgebernahe Studie hat im Jahr 2003 errechnet, dass in größeren Unternehmen pro Jahr und pro Arbeitnehmer*in 18,00 € für BR-Schulungen ausgegeben werden.[3] Dagegen steht, dass Unternehmen nach einer aktuellen Studie insgesamt bis zu 560,00 € pro Arbeitnehmer*in im Jahr für betriebliche Weiterbildung ausgeben.[4] BR-Schulungen werden also immer nur einen kleinen Teil des gesamten Weiterbildungsbudgets ausmachen. Dennoch kommt von Arbeitgeberinnenseite häufig das Argument, ein gebuchtes BR-Seminar sei zu teuer und könne deswegen nicht besucht werden. Oder der Betriebsrat müsse sich auf die Suche nach einem günstigeren Seminar machen. Was ist von diesem Argument zu halten?

Die Arbeitgeberin hat entsprechend § 40 BetrVG grundsätzlich die Kosten für erforderliche Seminare des Betriebsrates zu tragen. Neben der Erforderlichkeit muss der Betriebsrat jedoch auch beachten, dass der Preis verhältnismäßig ist.[5] Damit ist gemeint, dass der zeitliche Umfang, die Lage des Seminarortes, die Anzahl der entsendeten BR-Mitglieder und der Preis eines Seminars in einem nachvollziehbaren Verhältnis zum Schulungsziel des Betriebsrates stehen sollen. Mit anderen Worten: Der Betriebsrat soll nicht mehr Geld ausgeben als nötig, um sich das gewünschte Wissen anzueignen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Betriebsrat gezwungen wäre, vor jedem Seminarbesuch eine ausführliche Marktanalyse vorzunehmen und immer das günstigste Seminar zu buchen.[6] Die Preise der meisten Anbieter von Betriebsratsschulungen unterscheiden sich nicht erheblich voneinander. Hier eine Reihe von Seminarpreisen, die im Rahmen von Arbeitsgerichtsverfahren explizit als verhältnismäßig anerkannt oder zumindest nicht beanstandet wurden:

  1. 4-tägige Wirtschaftsausschussschulung für 1.246,00 € pro Person – LAG Hessen v. 11.03.2019 – 16 TaBV 201/18
  2. 4-tägige Kompaktschulung zu BetrVG I und II für 1.350,00 € pro Person – LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 20.09.2016 – 5 TaBV 21/15
  3. 4-tägige Spezialschulung zu einer Personalplanungssoftware für 1.190,00 € pro Person – LAG Berlin-Brandenburg v. 20.04.2016 – 15 TaBV 52/16
  4. 4-tägiges Seminar zur Mobbing-Prävention für 1.188,00 € pro Person – BAG v. 14.01.2015 – 7 ABR 95/12
  5. 4-tägiges Inhouse-Seminar zur Mitbestimmung beim Arbeitsschutz für 9.180,00 € für ein 11-köpfiges Gremium – LAG Berlin-Brandenburg v. 28.02.2017 – 11 TaBV 1626/16
  6. 1-tägige Inhouse-Schulung zum normalen Wahlverfahren für 2.080,00 € für ein 5-köpfiges Gremium – LAG Hessen v. 26.03.2018 – 16 TaBVGa 57/1

Sofern sich Euer angestrebtes Seminar in etwa im Rahmen dieser marktüblichen Preise bewegt, kann die Arbeitgeberin keine Einwände gegen die Schulung haben. Auch seid Ihr bei zwei Seminarangeboten nicht gezwungen, immer das günstigere zu nehmen. Nur wenn es zwei Schulungen gibt, die zum selben Zeitpunkt stattfinden und vom Betriebsrat als qualitativ gleichwertig eingeschätzt werden, wäre der Betriebsrat im Hinblick auf die Kostenschonung der Arbeitgeberin dazu veranlasst, die günstigere Schulung zu buchen.[7] Grundsätzlich darf der Betriebsrat sich für jene Schulung entscheiden, die ihm am besten geeignet erscheint.

Arbeitgeberinnen führen manchmal ins Feld, dass die Kosten im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Unternehmens stehen müssen. Dass ein Unternehmen tatsächlich wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Kosten des Rechtsanspruches auf Weiterbildung des Betriebsrates zu schultern, ist höchst selten und kann nur einen „Grenzfall“[8] darstellen. In jedem Fall kann die Arbeitgeberin dies nicht einfach behaupten und damit bereits den Schulungsanspruch des Betriebsrates beschneiden, sondern müsste es anhand konkreter betriebswirtschaftlicher Kennzahlen dem Betriebsrat gegenüber belegen.[9] Tatsächlich ist uns kein Fall bekannt, in dem ein Arbeitsgericht die Arbeitgeberin von der Pflicht zur Kostentragung entbunden hätte, weil die finanzielle Belastung zu groß gewesen wäre.[10]

 

Betriebsräte sind nicht an Vorgaben der Vergabeordnung gebunden

Häufiger sehen wir auch den Fall, dass Betriebsräte von ihrer Arbeitgeberin gebeten werden, mindestens drei Angebote verschiedener Anbieter für ein Seminar einzuholen und sich dann für das günstigste dieser Angebote zu entscheiden. Oftmals (aber nicht immer) handelt es sich hier um Unternehmen, die tatsächlich oder vermeintlich zu den öffentlichen Auftraggebern nach § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zählen. Das sind Unternehmen, die überwiegend durch die öffentliche Hand finanziert werden und im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfüllen. Diese Unternehmen unterliegen besonderen Vorgaben, wenn sie Aufträge vergeben. Bei kleineren Aufträgen ist dies die Pflicht, mindestens drei Bewerber*innen zur Angebotsabgabe aufzufordern.[11] Dies soll dem Zweck der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel dienen. Die Frage ist nun: Kann dies auch für in diesen Unternehmen gebildete Betriebsräte gelten? In welchem Verhältnis könnten die Vergabeordnung und das Betriebsverfassungsgesetz stehen?

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg stellt klar, dass der Betriebsrat nicht an die Vorgaben der Vergabeordnung gebunden ist. Auch wenn die Arbeitgeberin eine öffentliche Auftraggeberin ist, so ist der dort gebildete Betriebsrat dies noch lange nicht. „Die Aufgaben, Befugnisse und Kompetenzen eines Betriebsrates haben mit Ausnahme der im Betriebsverfassungsgesetz selbst geregelten Modalitäten (z. B. § 118 BetrVG) keine Relation zu den jeweiligen Aufgaben und Zielsetzungen des Arbeitgebers“.[12] Die Arbeitgeberin erfüllt Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, der Betriebsrat hat dagegen die im BetrVG geregelten Aufgaben der Interessenvertretung der jeweiligen Belegschaft. Diese Trennung ist für die Arbeit des Betriebsrates sehr wichtig: „Die autonome Interessenwahrnehmung sowie die Unabhängigkeit des Betriebsrats vom Arbeitgeber ist demnach ein Strukturprinzip der Betriebsverfassung.“[13]

Das bedeutet also: Als Betriebsrat seid Ihr nie dazu gezwungen, mindestens drei Angebote für Schulungen einzuholen und Euch dann für das günstigste zu entscheiden. Auch an sonstige Vorgaben der Vergabeordnung müsst Ihr Euch nicht halten. Natürlich kann es trotzdem sinnvoll sein, mehrere Angebote einzusehen und sich aus den verschiedenen Ausschreibungen genau den Anbieter auszusuchen, der Euch am meisten zusagt. Aber das ist Eure freiwillige Entscheidung, keine Verpflichtung. Prinzipiell kann es hilfreich sein, der Arbeitgeberin gegenüber sichtbar zu machen, dass Ihr Eure Bildungsplanung professionell und überlegt durchführt und es somit Hand und Fuß hat, wenn Ihr Euch für ein bestimmtes Seminar entschieden habt.

Zusammenfassung:

Dass eine für den Betriebsrat erforderliche Schulung zu teuer sein könnte, ist ein absoluter Ausnahmefall. Zum einen ähneln sich die Preise der Anbieter und liegen in den allermeisten Fällen im marktüblichen Bereich. Zum anderen sind Unternehmen mit Betriebsrat grundsätzlich leistungsfähig genug, um den – vergleichsweise kleinen – Anteil für Betriebsratsschulungen aufzubringen.

In den folgenden Beiträgen werden wir uns außerdem mit folgenden Einwänden beschäftigen:

  1. Die Schulung ist nicht erforderlich.
  2. Der Zeitpunkt der Schulung ist ungeeignet.
  3. Die Schulung ist nicht zweckmäßig, sie hilft dem BR nicht, seine Arbeit erfolgreich zu machen.
  4. Reise-, Übernachtungs- und Tagungskosten können nicht übernommen werden.
  5. Nur ein Mitglied des Gremiums soll entsandt werden.
  6. Der Betriebsrat verfügt bereits über das entsprechende Wissen.

 

[1] Bundesarbeitsgericht, 21.04.1983 – 6 ABR 70/82.

[2] Ergebnis einer Befragung unter mehreren Tausend Betriebsräten war, das Gewerkschaftsmitglieder, BR-Vorsitzende und Freigestellte deutlich mehr Seminare besuchen. BR-Mitglieder mit Hochschulabschluss, Kolleg*innen in kleineren und mittleren Unternehmen und auch Frauen in den Gremien dagegen eher weniger Seminare. Eva Ahlene u.a.: Weiterbildungsverhalten von Betriebsräten – Ergebnisse einer repräsentativen Befragung. 2017.

[3] Horst-Udo Niedenhoff: Die direkten Kosten der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes. 2004.

[4] Susanne Seyda / Beate Placke: Die neunte IW-Weiterbildungserhebung. Kosten und Nutzen betrieblicher Weiterbildung. 2017.

[5] Dies geht auf ein älteres Urteil des BAG zurück, BAG, 31.10.1972 – 1 ABR 7/72.

[6] Bundesarbeitsgericht, 19. März 2008 – 7 ABR 2/07.

[7] Fitting 27. Aufl. § 40 Rn. 74.

[8] Christoph Domernicht: Kosten und Sachaufwand des Betriebsrates. 2018.

[9] LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 20.09.2016 – 5 TaBV 21/15.

[10] In einem Verfahren vor dem LAG Hamm wurde es z.B. als unbeachtlich angesehen, dass der Betriebsrat im fraglichen Jahr bereits über 17.000 € an Seminarkosten verursacht und dass das Unternehmen im Vorjahr mit einem negativen Betriebsergebnis von 1,8 Millionen € abgeschlossen hatte. LAG Hamm v. 08.07.2005 – 10 Sa 2053/04

[11] Vgl. § 3 Abs. 1 Vergabe-und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) 2009.

[12]LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.03.2016, 24 TaBV 1939 / 15 D.

[13] Bundesarbeitsgericht, 11.11.1997 – 1 ABR 21/97.