Schulungsanspruch bei Grund- und Spezialseminaren

Wissen ist Macht – Der Schulungsanspruch von Betriebsräten

Die meisten Betriebsräte finden sich nach der Wahl in einer ungewohnten Situation wieder. Auf einmal muss man sich mit verschiedenen Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen auseinandersetzen und auf die Einhaltung der vielfältigen arbeitsrechtlichen Vorschriften durch den Arbeitgeber achten. Aber wie soll die Einhaltung von Recht und Gesetz kontrolliert und gemeinsam mit dem Arbeitgeber betriebliche Regelungen verhandelt werden, wenn keine Kenntnis über die Rechtslage und die Mitbestimmungsrechte besteht?

Diese Problematik hat auch der Gesetzgeber gesehen und daher im Betriebsverfassungsgesetz einen gesetzlichen Anspruch auf Weiterbildung für Betriebsräte geschaffen. Geregelt ist dieser Anspruch im § 37 Abs. 6 BetrVG. Demnach haben Betriebsräte einen Anspruch auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von Kenntnissen dann erforderlich, wenn diese „unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seinen gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann (BAG 9.10.1973 – 1 ABR 6/73). Denn das einzelne Betriebsratsmitglied kann nicht auf ein Selbststudium oder eine Unterrichtung durch ein bereits geschultes Betriebsratsmitglied verwiesen werden (BAG 19.03.2008 – 7 ABR 2/07). Soweit die Erforderlichkeit der Schulung besteht, hat der Arbeitgeber alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Kosten zu tragen (Seminarkosten, Reise- und Übernachtungskosten, Verpflegungskosten usw.) und für den Zeitraum der Schulung das reguläre Gehalt weiterzuzahlen.

Dabei besteht nicht nur ein Recht auf Schulung, sondern sogar eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht. Denn mit der Übernahme des Betriebsratsamtes haben die BR-Mitglieder neben der Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Aufgaben weitere Amtspflichten übernommen. Um dieses Amt verantwortungsgerecht ausüben zu können, sind spezielle Kenntnisse im Betriebsverfassungs- und im Arbeitsrecht notwendig. Jeder Betriebsrat hat sich daher auf sein Amt umfassend vorzubereiten und ist aus diesem Grund nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, sich die hierfür erforderlichen Kenntnisse durch entsprechende Seminare anzueignen (BAG 21.4.1983 – 6 ABR 70/82).

In der Praxis wird unterschieden zwischen Grundlagenseminaren und Spezialseminaren.

 

Grundlagenseminare

Soweit es sich um ein Grundlagenseminar handelt, muss nicht extra begründet werden, warum dieses Seminar erforderlich ist. Denn bei diesen Seminarinhalten handelt es sich um Grundlagenwissen, was grundsätzlich jedes Betriebsratsmitglied haben muss, um die Aufgaben im Betriebsrat ordnungsgemäß zu erfüllen. Daher werden Grundlagenseminare von der Rechtsprechung als stets erforderlich angesehen. Hier kommt es lediglich darauf an, dass bei der zeitlichen Festlegung des Seminartermins die betrieblichen Notwendigkeiten berücksichtigt werden (also wenn möglich nicht während des Weihnachtsgeschäftes oder während der Haupturlaubszeit auf Seminar fahren) und die Kosten im Rahmen bleiben (also nicht mit der 1. Klasse nach Mallorca zum Seminar fliegen, sondern sofern möglich lieber ortsnah). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dem Betriebsrat ein eigener Beurteilungsspielraum zugestanden wird, wann welches Betriebsratsmitglied zu welchem Seminar entsendet wird. Dies gilt sowohl für den konkreten Inhalt des Seminars, als auch für deren Dauer und die Anzahl der entsendeten Teilnehmer (BAG 9.10.1973 – 1 ABR 6/73).

Zu den Grundlagenseminaren gehören im Seminarprogramm u.a. die folgenden Themenbereiche:

Betriebsverfassungsrecht (Grundlagen I, II, III, IV, V)

Arbeitsrecht (Grundlagen I, II, III)

Arbeits- und Gesundheitsschutz  (Grundlagen)

Datenschutz (Grundlagen)

 

Spezialseminare

Neben den Grundlagenseminaren gibt es noch die sogenannten Spezialseminare. Diese Seminare vermitteln Spezialwissen, welches nicht immer für alle Betriebsräte als erforderlich angesehen wird. Im Falle der Spezialseminare müssen Betriebsräte ggf. die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme inhaltlich begründen. Nach Ansicht der Gerichte ist ein Spezialseminar immer dann erforderlich, „soweit nach den Verhältnissen des konkreten einzelnen Betriebes Fragen und Probleme anstehen oder in naher Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des BR unterliegen und bei denen im Hinblick auf den Wissensstand des konkreten BR eine Schulung von BR-Mitgliedern erforderlich erscheint, damit der BR seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann“ (BAG 20.08.2014 – 7 ABR 64/12). Etwas verständlicher ausgedrückt, muss also erstens eine konkrete Aufgabe des BR vorliegen. Zweitens müssen die zur Schulung entsendeten BR-Mitglieder mit dieser Aufgabe befasst sein (bspw. weil sie Mitglied der entsprechenden Verhandlungskommission bzw. des jeweiligen Ausschusses sind). Und Drittens muss den jeweiligen BR-Mitgliedern das notwendige Wissen zur sachgerechten Wahrnehmung ihrer Aufgaben fehlen und dieses Wissen im entsprechenden Seminar vermittelt werden. Auch hier hat der BR wieder einen Beurteilungsspielraum, welcher nur eingeschränkt gerichtlich zu überprüfen ist.

 

Sonderfall – Ersatzmitglieder und Wiederholungsschulungen

Sonderregelungen gelten für Ersatzmitglieder. Der Betriebsrat kann ein Ersatzmitglied zu einer Schulung entsenden, soweit dies erforderlich ist, „um die Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats zu gewährleisten (BAG 19.09.2001 – 7 ABR 32/00)“. Aber wann ist das der Fall? In der Praxis wird vor allem darauf abgestellt, wie oft das entsprechende Ersatzmitglied für verhinderte Kolleg*innen nachrücken muss. Soweit das Ersatzmitglied über einen längeren Zeitraum an mindestens einem Viertel aller Betriebsratssitzungen teilgenommen hat, kann ein Schulungsanspruch bestehen. Dies ist jedoch immer im konkreten Einzelfall festzustellen. Auch in dieser Frage ist von einem Beurteilungsspielraum des Betriebsrats auszugehen.

Ein andere Konfliktfall betrifft die sogenannten Wiederholungsschulungen, also Schulungen zur Auffrischung bzw. Wissensvertiefung zu Themen, zu denen bereits vor einiger Zeit ein Seminar besucht wurde. Auch solche Schulungen können erforderlich sein. Dies gilt vor allem für Bereiche, in denen eine schnelle Entwicklung/Veränderung stattfindet (also bspw. Computertechnik), bei Änderungen von Gesetzen oder der Rechtsprechung und bei neu auftretenden Konflikten im Betrieb. Der Betriebsrat muss jedoch in einem solchen Fall konkret darlegen, warum eine Schulung zu einem ähnlichen Thema aus Sicht des BR erneut erforderlich ist (LAG Nürnberg 1.9.2009 – 6 TaBV 18/09).

 

Stephan Puhlmann, Arbeitsrecht für Arbeitnehmer*innen

https://www.rechtsanwalt-puhlmann.de/

Die häufigsten Einwände der Arbeitgeberin gegen eine Betriebsratsschulung – Teil 1: Die Kosten seien zu hoch

Der Schulungsanspruch des Betriebsrates ist ein wichtiger Bestandteil der Betriebsverfassung. Betriebsräte sind keine technokratischen, sondern politische Gremien. Ihre Mitglieder werden nicht aufgrund besonderen Sachverstands gewählt, sondern weil die Kolleg*innen ihnen am ehesten zutrauen, ihre Interessen im Betrieb zu vertreten. BR-Mitglieder sind deswegen fast immer juristischen Laien. Das ist kein Makel, sondern Teil der Idee betrieblicher Mitbestimmung. Umso wichtiger ist es, dass sie durch Schulungen in die Lage versetzt werden, die komplexen Fragen der BR-Arbeit bewältigen zu können. Schulungen helfen den Betriebsratsmitgliedern, gegenüber der Arbeitgeberin „intellektuelle Waffengleichheit“ herzustellen und auf Augenhöhe über alle betrieblichen Themen diskutieren und verhandeln zu können. “Es gehört damit zu den Amtspflichten des Betriebsrats, sich das für seine Arbeit erforderliche Fachwissen anzueignen.”[1]

 

Viele BR-Gremien und BR-Mitglieder nehmen ihren Weiterbildungsanspruch jedoch nicht im erforderlichen Maß in Anspruch. Dies kann unterschiedlichste Gründe haben.[2] Oft liegt es aber an der Arbeitgeberin, die Einwände gegen den Seminarbesuch hat und die Seminarplanung für die Betriebsräte erschwert. Im Folgenden haben wir für Euch eine Liste der häufigsten Einwände zusammengestellt und erläutern, wie sie zu bewerten sind.

 

„Die Kosten sind zu hoch“

Eine arbeitgebernahe Studie hat im Jahr 2003 errechnet, dass in größeren Unternehmen pro Jahr und pro Arbeitnehmer*in 18,00 € für BR-Schulungen ausgegeben werden.[3] Dagegen steht, dass Unternehmen nach einer aktuellen Studie insgesamt bis zu 560,00 € pro Arbeitnehmer*in im Jahr für betriebliche Weiterbildung ausgeben.[4] BR-Schulungen werden also immer nur einen kleinen Teil des gesamten Weiterbildungsbudgets ausmachen. Dennoch kommt von Arbeitgeberinnenseite häufig das Argument, ein gebuchtes BR-Seminar sei zu teuer und könne deswegen nicht besucht werden. Oder der Betriebsrat müsse sich auf die Suche nach einem günstigeren Seminar machen. Was ist von diesem Argument zu halten?

Die Arbeitgeberin hat entsprechend § 40 BetrVG grundsätzlich die Kosten für erforderliche Seminare des Betriebsrates zu tragen. Neben der Erforderlichkeit muss der Betriebsrat jedoch auch beachten, dass der Preis verhältnismäßig ist.[5] Damit ist gemeint, dass der zeitliche Umfang, die Lage des Seminarortes, die Anzahl der entsendeten BR-Mitglieder und der Preis eines Seminars in einem nachvollziehbaren Verhältnis zum Schulungsziel des Betriebsrates stehen sollen. Mit anderen Worten: Der Betriebsrat soll nicht mehr Geld ausgeben als nötig, um sich das gewünschte Wissen anzueignen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Betriebsrat gezwungen wäre, vor jedem Seminarbesuch eine ausführliche Marktanalyse vorzunehmen und immer das günstigste Seminar zu buchen.[6] Die Preise der meisten Anbieter von Betriebsratsschulungen unterscheiden sich nicht erheblich voneinander. Hier eine Reihe von Seminarpreisen, die im Rahmen von Arbeitsgerichtsverfahren explizit als verhältnismäßig anerkannt oder zumindest nicht beanstandet wurden:

  1. 4-tägige Wirtschaftsausschussschulung für 1.246,00 € pro Person – LAG Hessen v. 11.03.2019 – 16 TaBV 201/18
  2. 4-tägige Kompaktschulung zu BetrVG I und II für 1.350,00 € pro Person – LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 20.09.2016 – 5 TaBV 21/15
  3. 4-tägige Spezialschulung zu einer Personalplanungssoftware für 1.190,00 € pro Person – LAG Berlin-Brandenburg v. 20.04.2016 – 15 TaBV 52/16
  4. 4-tägiges Seminar zur Mobbing-Prävention für 1.188,00 € pro Person – BAG v. 14.01.2015 – 7 ABR 95/12
  5. 4-tägiges Inhouse-Seminar zur Mitbestimmung beim Arbeitsschutz für 9.180,00 € für ein 11-köpfiges Gremium – LAG Berlin-Brandenburg v. 28.02.2017 – 11 TaBV 1626/16
  6. 1-tägige Inhouse-Schulung zum normalen Wahlverfahren für 2.080,00 € für ein 5-köpfiges Gremium – LAG Hessen v. 26.03.2018 – 16 TaBVGa 57/1

Sofern sich Euer angestrebtes Seminar in etwa im Rahmen dieser marktüblichen Preise bewegt, kann die Arbeitgeberin keine Einwände gegen die Schulung haben. Auch seid Ihr bei zwei Seminarangeboten nicht gezwungen, immer das günstigere zu nehmen. Nur wenn es zwei Schulungen gibt, die zum selben Zeitpunkt stattfinden und vom Betriebsrat als qualitativ gleichwertig eingeschätzt werden, wäre der Betriebsrat im Hinblick auf die Kostenschonung der Arbeitgeberin dazu veranlasst, die günstigere Schulung zu buchen.[7] Grundsätzlich darf der Betriebsrat sich für jene Schulung entscheiden, die ihm am besten geeignet erscheint.

Arbeitgeberinnen führen manchmal ins Feld, dass die Kosten im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Unternehmens stehen müssen. Dass ein Unternehmen tatsächlich wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Kosten des Rechtsanspruches auf Weiterbildung des Betriebsrates zu schultern, ist höchst selten und kann nur einen „Grenzfall“[8] darstellen. In jedem Fall kann die Arbeitgeberin dies nicht einfach behaupten und damit bereits den Schulungsanspruch des Betriebsrates beschneiden, sondern müsste es anhand konkreter betriebswirtschaftlicher Kennzahlen dem Betriebsrat gegenüber belegen.[9] Tatsächlich ist uns kein Fall bekannt, in dem ein Arbeitsgericht die Arbeitgeberin von der Pflicht zur Kostentragung entbunden hätte, weil die finanzielle Belastung zu groß gewesen wäre.[10]

 

Betriebsräte sind nicht an Vorgaben der Vergabeordnung gebunden

Häufiger sehen wir auch den Fall, dass Betriebsräte von ihrer Arbeitgeberin gebeten werden, mindestens drei Angebote verschiedener Anbieter für ein Seminar einzuholen und sich dann für das günstigste dieser Angebote zu entscheiden. Oftmals (aber nicht immer) handelt es sich hier um Unternehmen, die tatsächlich oder vermeintlich zu den öffentlichen Auftraggebern nach § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zählen. Das sind Unternehmen, die überwiegend durch die öffentliche Hand finanziert werden und im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfüllen. Diese Unternehmen unterliegen besonderen Vorgaben, wenn sie Aufträge vergeben. Bei kleineren Aufträgen ist dies die Pflicht, mindestens drei Bewerber*innen zur Angebotsabgabe aufzufordern.[11] Dies soll dem Zweck der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel dienen. Die Frage ist nun: Kann dies auch für in diesen Unternehmen gebildete Betriebsräte gelten? In welchem Verhältnis könnten die Vergabeordnung und das Betriebsverfassungsgesetz stehen?

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg stellt klar, dass der Betriebsrat nicht an die Vorgaben der Vergabeordnung gebunden ist. Auch wenn die Arbeitgeberin eine öffentliche Auftraggeberin ist, so ist der dort gebildete Betriebsrat dies noch lange nicht. „Die Aufgaben, Befugnisse und Kompetenzen eines Betriebsrates haben mit Ausnahme der im Betriebsverfassungsgesetz selbst geregelten Modalitäten (z. B. § 118 BetrVG) keine Relation zu den jeweiligen Aufgaben und Zielsetzungen des Arbeitgebers“.[12] Die Arbeitgeberin erfüllt Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, der Betriebsrat hat dagegen die im BetrVG geregelten Aufgaben der Interessenvertretung der jeweiligen Belegschaft. Diese Trennung ist für die Arbeit des Betriebsrates sehr wichtig: „Die autonome Interessenwahrnehmung sowie die Unabhängigkeit des Betriebsrats vom Arbeitgeber ist demnach ein Strukturprinzip der Betriebsverfassung.“[13]

Das bedeutet also: Als Betriebsrat seid Ihr nie dazu gezwungen, mindestens drei Angebote für Schulungen einzuholen und Euch dann für das günstigste zu entscheiden. Auch an sonstige Vorgaben der Vergabeordnung müsst Ihr Euch nicht halten. Natürlich kann es trotzdem sinnvoll sein, mehrere Angebote einzusehen und sich aus den verschiedenen Ausschreibungen genau den Anbieter auszusuchen, der Euch am meisten zusagt. Aber das ist Eure freiwillige Entscheidung, keine Verpflichtung. Prinzipiell kann es hilfreich sein, der Arbeitgeberin gegenüber sichtbar zu machen, dass Ihr Eure Bildungsplanung professionell und überlegt durchführt und es somit Hand und Fuß hat, wenn Ihr Euch für ein bestimmtes Seminar entschieden habt.

Zusammenfassung:

Dass eine für den Betriebsrat erforderliche Schulung zu teuer sein könnte, ist ein absoluter Ausnahmefall. Zum einen ähneln sich die Preise der Anbieter und liegen in den allermeisten Fällen im marktüblichen Bereich. Zum anderen sind Unternehmen mit Betriebsrat grundsätzlich leistungsfähig genug, um den – vergleichsweise kleinen – Anteil für Betriebsratsschulungen aufzubringen.

In den folgenden Beiträgen werden wir uns außerdem mit folgenden Einwänden beschäftigen:

  1. Die Schulung ist nicht erforderlich.
  2. Der Zeitpunkt der Schulung ist ungeeignet.
  3. Die Schulung ist nicht zweckmäßig, sie hilft dem BR nicht, seine Arbeit erfolgreich zu machen.
  4. Reise-, Übernachtungs- und Tagungskosten können nicht übernommen werden.
  5. Nur ein Mitglied des Gremiums soll entsandt werden.
  6. Der Betriebsrat verfügt bereits über das entsprechende Wissen.

 

[1] Bundesarbeitsgericht, 21.04.1983 – 6 ABR 70/82.

[2] Ergebnis einer Befragung unter mehreren Tausend Betriebsräten war, das Gewerkschaftsmitglieder, BR-Vorsitzende und Freigestellte deutlich mehr Seminare besuchen. BR-Mitglieder mit Hochschulabschluss, Kolleg*innen in kleineren und mittleren Unternehmen und auch Frauen in den Gremien dagegen eher weniger Seminare. Eva Ahlene u.a.: Weiterbildungsverhalten von Betriebsräten – Ergebnisse einer repräsentativen Befragung. 2017.

[3] Horst-Udo Niedenhoff: Die direkten Kosten der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes. 2004.

[4] Susanne Seyda / Beate Placke: Die neunte IW-Weiterbildungserhebung. Kosten und Nutzen betrieblicher Weiterbildung. 2017.

[5] Dies geht auf ein älteres Urteil des BAG zurück, BAG, 31.10.1972 – 1 ABR 7/72.

[6] Bundesarbeitsgericht, 19. März 2008 – 7 ABR 2/07.

[7] Fitting 27. Aufl. § 40 Rn. 74.

[8] Christoph Domernicht: Kosten und Sachaufwand des Betriebsrates. 2018.

[9] LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 20.09.2016 – 5 TaBV 21/15.

[10] In einem Verfahren vor dem LAG Hamm wurde es z.B. als unbeachtlich angesehen, dass der Betriebsrat im fraglichen Jahr bereits über 17.000 € an Seminarkosten verursacht und dass das Unternehmen im Vorjahr mit einem negativen Betriebsergebnis von 1,8 Millionen € abgeschlossen hatte. LAG Hamm v. 08.07.2005 – 10 Sa 2053/04

[11] Vgl. § 3 Abs. 1 Vergabe-und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) 2009.

[12]LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.03.2016, 24 TaBV 1939 / 15 D.

[13] Bundesarbeitsgericht, 11.11.1997 – 1 ABR 21/97.

 

Betriebsratsarbeit in Teilzeit

Als Teilzeitbeschäftigte gelten alle Kolleg*innen, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die tarifliche oder betriebsübliche Vollzeitarbeit. Der Anteil der Menschen, die in Teilzeit arbeiten, ist deutschlandweit seit dem Jahr 2000 von 19,8 % auf aktuell 28,8 % deutlich gestiegen.[1] Die höhere Anzahl an Teilzeitkräften in den Betrieben bedeutet zwangsläufig auch immer mehr teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder in den Gremien. In vielen Branchen gibt es mittlerweile Gremien, bei denen Teilzeit nicht etwa die Ausnahme, sondern der Regelfall ist.

 

Teilzeitbeschäftigte sind gesetzlich geschützt: § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) stellt klar, dass teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer*innen gegenüber Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter gestellt werden dürfen. Demnach ist es beispielsweise rechtswidrig, Teilzeitbeschäftigte genauso häufig zu Arbeitseinsätzen an Samstagen und Sonntagen einzusetzen wie Vollzeitbeschäftigte, denn dies würde bedeuten, dass sie überproportional zu ihrer Arbeitszeit Wochenendzeit opfern müssten.[2]

 

Anspruch auf Freizeitausgleich

 

Die wichtigste Regelung für teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder ist § 37 Abs. 3 BetrVG, wonach BR-Mitglieder einen Anspruch auf Freizeitausgleich für BR-Arbeit außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit haben, sofern diese betrieblich begründet ist. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Betriebsratssitzungen außerhalb der persönlichen Arbeitszeit liegen. Es trifft bei allen Situationen zu, die direkt oder indirekt durch den*die Arbeitgeber*in oder die betriebliche Organisation bedingt sind.

Unproblematisch wird die BR-Arbeit in Teilzeit dadurch freilich nicht. Denn es hat meist gute Gründe, warum jemand in Teilzeit arbeitet. Andere Verpflichtungen, wie ein zweiter Job, ein Studium, Kinder oder zu pflegende Angehörige schränken die Planungsfreiheit ein. Die gemeinsame BR-Arbeit zu koordinieren, wird dadurch zu einer besonderen Herausforderung.

 

Zwischen Arbeits- und Amtspflicht

 

Für Teilzeit-BRs ergeben sich noch weitere Schwierigkeiten: Lässt sich ein in Vollzeit beschäftigtes Betriebsratsmitglied für einen Teil seiner Arbeitszeit freistellen, um in dieser Zeit BR-Arbeit zu leisten, dann verbleibt meist noch Zeit, in der er*sie anschließend seiner*ihrer arbeitsvertraglichen Arbeit nachgehen kann. Bei Teilzeitbeschäftigten – und vor allem solchen mit geringen Stundensätzen von 20 Stunden oder weniger – ist es häufig der Fall, dass durch die Freistellungszeiten die arbeitsvertragliche Arbeit nicht mehr vollumfänglich leistbar ist. Wichtige Arbeit bleibt liegen, ganze Projekte treten auf der Stelle, Klienten werden nicht betreut, und das betroffene BR-Mitglied läuft Gefahr, nicht mehr gut in die betrieblichen Abläufe integriert zu sein. Unternimmt der*die Arbeitgeber*in nach den Betriebsratswahlen keine entsprechende Reorganisation, so stehen die BRs oft vor der problematischen Entscheidung zwischen Arbeits- und Amtspflicht.

 

Auch das BAG hat bereits 2014 anerkannt, dass teilzeitbeschäftigte BR-Mitglieder mit geringen Stundensätzen unter Umständen über einen längeren Zeitraum vollständig von ihrer Arbeit freizustellen sind.[3] In einigen Betrieben kann dies so weit gehen, dass teilzeitbeschäftigte BR-Mitglieder permanent den Stundenumfang ihrer persönlichen Arbeitszeit überschreiten müssten, weil die BR-Arbeit so viel Einsatz erfordert, dass die vertraglich geregelte Arbeitszeit schlichtweg nicht ausreichen würde. Sind vor allem in kleineren Gremien von drei bis sieben Mitgliedern viele Mitglieder in Teilzeit beschäftigt, reicht das gemeinsame Stundenvolumen eventuell grundsätzlich nicht aus, um die BR-Arbeit in sachgemäßer Weise zu verrichten. Denn das gesetzliche Aufgabenspektrum der Betriebsräte ist bekanntlich gewaltig.

 

Was könnt Ihr tun, wenn Eure Freistellungszeit nicht ausreicht?

 

Wenn Ihr diese vorab beschriebene Situation im Gremium habt, ist es wichtig, dass Ihr sie als erstes als ein Problem identifiziert, das nicht mehr allein durch die Regelungen von § 37 Abs. 3 BetrVG gelöst werden kann. Dann solltet Ihr als Gremium besprechen, ob die interne Arbeitsaufteilung verändert werden kann. Vielleicht ist es möglich, dass die teilzeitbeschäftigten BR-Mitglieder bestimmte Aufgaben an andere Mitglieder abgeben. Denkbar wäre auch, eine Reihe von Aufgaben durch Büropersonal erledigen zu lassen. Sollten diese Möglichkeiten ausfallen oder ausgereizt sein, solltet Ihr versuchen, in Absprache mit der*dem Arbeitgeber*in eine individuelle Lösung für das Problem zu finden. Dies könnte zum Beispiel in einer (ggf. für die Dauer der Amtszeit befristeten) Erhöhung der arbeitsvertraglichen Stunden bestehen, die dann für die BR-Arbeit genutzt werden können. Bereitet diese Gespräche mit der*dem Arbeitgeber*in gut vor und lasst Euch nach Möglichkeit dabei von einem*r RA*in beraten, die*der sich sowohl mit dem individuellen als auch dem kollektiven Arbeitsrecht sehr gut auskennt, denn Ihr habt keinen zwingenden Rechtsanspruch auf eine solche Erhöhung. Der*die Arbeitgeber*in muss davon überzeugt werden, dass eine solche Regelung die beste Lösung für alle Beteiligten darstellt. Auch wenn es sich um die Situation von einzelnen BR-Mitgliedern handeln sollte, so betrifft sie letztlich das gesamte Gremium. Deshalb solltet Ihr auch als gesamtes Gremium diese Angelegenheit klären und gemeinsam sicherstellen, dass alle BR-Kolleg*innen die Bedingungen vorfinden, die ihnen ermöglichen, ihre BR-Arbeit frei von unangemessenen Widerständen und Schlechterstellung zu leisten – egal ob in Vollzeit oder Teilzeit.

 

 

[1] Statistisches Bundesamt (zuletzt 2019)

[2] Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 20.08.2015 – 26 Sa 2340/14.

[3] Bundesarbeitsgericht vom 19.03.2014 – 7 AZR 480/12

Betriebsrat sein – eine der komplexesten Aufgaben überhaupt!

Denkt man an Berufe mit einer großen Aufgabenfülle, viel Verantwortung und komplexen Anforderungen fällt einem wahrscheinlich das Management von großen Unternehmen, Spitzenpolitiker oder andere Jobs mit hohen Zugangsvoraussetzungen ein. Es spricht jedoch einiges dafür, dass das Amt des Betriebsrats eine der komplexesten und anspruchsvollsten Tätigkeiten überhaupt darstellt. Betriebsräte setzen sich in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten mit schwierigen und wechselnden Sachproblematiken auseinander und vertreten dabei die Rechte und Interessen von kleinen und großen, meist sehr gemischten Belegschaften. Im Umgang mit den Kolleg*innen und dem Arbeitgeber brauchen sie soziales und rhetorisches Geschick und Durchsetzungsvermögen. In allen Fragen müssen sie sich zudem erst im eigenen Gremium einigen und ein gemeinsames Vorgehen festlegen. Dies erfordert nicht nur eine gute Arbeits- und Zeitorganisation, sondern auch Kompromissbereitschaft und die Fähigkeit anderen zuhören zu können.

Für alle die, die die Aufgaben des Betriebsrates unterschätzen, kritische Kolleg*innen und Arbeitergeber*innen, die mal wieder die Erforderlichkeit von Freistellung infrage stellen ist es sinnvoll sich anhand des Betriebsverfassungsgesetzes einmal alle Aufgaben des Betriebsrates und was damit zusammenhängt zu vergegenwärtigen. Eine – sicherlich, nicht abschließende Liste:

 

Gremieninterne Aufgaben:

  • BR-Sitzungen durchführen (Tagesordnung festlegen, Beschlussfähigkeit sicherstellen, Protokoll erstellen, Sitzung leiten).
  • Inhaltliches vorbereiten der Sitzungen (Literaturrecherche, Unterlagen lesen, Vorbesprechungen in Ausschüssen oder Fraktionen).
  • Organisation des Gremiums (Gründung von Ausschüssen, Überblick über Urlaub und Abwesenheitszeiten, Vereinbarkeit von BR-Arbeit mit beruflichen und privaten Verpflichtungen gewährleisten, Ersatzmitglieder laden und in die BR-Arbeit integrieren).
  • Büro-Organisation (Ablagesystem sowohl physisch als auch digital, Datenschutz im BR-Büro sicherstellen, Informationsfluss im gesamten Gremium möglich machen, Materialbestand aufrechterhalten (Papier, Stifte, Ordner, aktuelle Technik, etc.)).
  • Schriftverkehr und Korrespondenz des Betriebsrates erledigen und organisieren (Briefe, E-Mails inklusive Ablage).
  • Teilnahme an Seminare organisieren (Anbieter recherchieren, Fortbildungsplan für alle BR-Mitglieder machen, Kostenübernahmen einholen).
  • Teambuilding (Konflikte innerhalb des Gremiums vermeiden bzw. lösen, Integration aller Mitglieder sicherstellen, etc., “Beziehungsarbeit” leisten).
  • Eigene Amtszeit prüfen und ggf. Wahlvorstand einsetzen.

 

Den Arbeitgeber betreffend:

  • Austausch mit dem Arbeitgeber (Monatsgespräche organisieren und durchführen).
  • Betriebsvereinbarungen verhandeln und als Beisitzer*innen in Einigungsstellen tätig sein.
  • Grobe Verstöße des Arbeitgebers gegen das BetrVG gerichtlich ahnden lassen Die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarung überwachen.

 

Einzelne Arbeitnehmer*innen betreffend:

  • Sprechstunden durchführen und Eingaben/Beschwerden der Belegschaft bzw. von einzelnen Kolleg*innen bearbeiten.
  • Kolleg*innen bei Personalgesprächen begleiten.
  • Beteiligung an BEM-Fällen und ggf. Mitgliedschaft in Integrationsteams.

 

Die gesamte Belegschaft betreffend:

  • Betriebs- und Abteilungsversammlungen organisieren (Raum und Technik organisieren, Einladung an Belegschaft AG und Gäste, inhaltliche Vorbereitung und Präsentation).
  • Transparenz: Betriebsöffentlichkeit auf dem Laufenden halten (schwarze Bretter, Internet, Intranet, Betriebszeitung, etc.).
  • Regelmäßige Betriebsbegehungen durchführen.

 

Personelle Angelegenheiten:

  • Vorschläge zur Personalplanung und Beschäftigungssicherung machen.
  • Auf Personelle Einzelmaßnahmen (Kündigung, Neueinstellung, Versetzung, Ein- und Umgruppierung) des Arbeitgebers reagieren (Vorgang prüfen, mit Betroffenen sprechen, diskutieren und beschließen).
  • Die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer*innen im Betrieb fördern.
  • Förderung von Berufsbildung und Ausübung von Mitbestimmung bei der konkreten Durchführung von Bildungsmaßnahmen.
  • Die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer*innen im Betrieb schützen und fördern, Diskriminierung im Betrieb entgegenwirken und Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bekämpfen.
  • Die Gleichstellung von Mann und Frau und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Betrieb fördern.

 

Soziale Angelegenheiten:

  • Urlaubspläne prüfen bzw. Mitbestimmungsrechte ausüben.
  • Arbeitszeitkonten und Personaleinsatzpläne prüfen bzw. Mitbestimmung ausüben.
  • Organisation betrieblicher Sozialeinrichtungen.
  • Ausübung der Mitbestimmung in anderen sozialen Angelegenheiten.

 

Zusammenarbeit mit anderen Stellen:

  • Zusammenarbeit mit der SBV bzw. auf die Wahl der SBV hinwirken und die Eingliederung von Schwerbehinderten im Betrieb fördern.
  • Teilnahme an Gesprächen mit dem Sicherheitsbeauftragten und Mitgliedschaft im Arbeitssicherheitsausschuss (ASA).
  • Stellungnahme zu Anträgen auf Gleichstellung beim Integrationsamt.
  • Unterzeichnung von Unfallanzeigen von den Unfallversicherungsträgern.
  • Zusammenarbeit mit der Jugend- und Auszubildendenvertretung.
  • Zusammenarbeit mit dem GBR und GWA (Übertragungen prüfen, Mitglieder entsenden, Anfragen stellen).
  • Kontakt zur Gewerkschaft (Einladung zu BR-Sitzungen, Austausch mit Betriebsgruppe, Info über zuständige*n Sekretär*in, Teilnahme an Vernetzungstreffen, etc.).
  • Beauftragung von RA*innen und Sachverständigen (Recherche, Terminabsprache, Treffen, Korrespondenz).

 

Weiteres:

  • Einsatz für den betrieblichen Umweltschutz.
  • Im Falle von Betriebsänderungen Interessenausgleich und Sozialpläne mit dem Arbeitgeber verhandeln.

 

Nicht umsonst hält auch die herrschende Kommentierung des Betriebsverfassungsgesetzes neben inhaltlichen Schulungen auch Veranstaltungen zum effektiven BR-Management für erforderlich (vgl. Fitting, BetrVG § 37 Rn. 152). Auch wir bieten Seminare zu diesem Thema und geführte Klausurtagungen an.