Warum es gerade jetzt wichtig ist, einen Betriebsrat zu gründen

Die Corona-Pandemie hat politische Möglichkeitsfenster geöffnet. Ein Beispiel: Die katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sind seit Jahren bekannt. Aber erst die gehäuften Infektionsausbrüche in Schlachtereien in mehreren Bundesländern führten zu einer echten Kehrtwende in der Arbeitsschutzpolitik. Mitte Mai verkündete Arbeitsminister Heil ein geplantes Verbot von Werkvertrags- und Leiharbeitsbeschäftigung für die gesamte Branche. Auch wenn der Gesetzesentwurf noch nicht vorliegt und die Fleischkonzerne bereits an Umgehungsstrategien arbeiten, ist dies eine gewaltige Überraschung und ein großer Erfolg in dem jahrelangen Kampf um bessere Arbeitsbedingungen in einer der schlimmsten Branchen Europas.

Doch die Möglichkeitsfenster öffnen sich in beide Richtungen. Schon seit Beginn der Pandemie sind Betriebs- und Personalräte ins Fadenkreuz der Arbeitgeberlobby geraten: Betriebliche Mitbestimmung sei ein schwerfälliges, bürokratisches Modell, das man sich in dieser Form nicht mehr leisten könne. Gerade in Zeiten einer nationalen Notlage bräuchte es schnelles Handeln der Betriebsführungen. Die Mitbestimmungsgremien würden hier nur verlangsamen und verhindern.

Zahlreiche Torpedierungsversuche

Die Änderung der Geschäftsführung von Betriebs- und Personalräten war der erste Anlass, um einen Rückbau der betrieblichen Demokratie zu fordern. Angesichts von Eindämmungsverordnungen und Betrieben im Lockdown stellte sich für viele Gremien die Frage, wie sie wirksame Beschlüsse fassen können. Sowohl das Betriebsverfassungsgesetz als auch das Personalvertretungsrecht sehen vor, dass die Mitglieder persönlich anwesend sein müssen und über die Tagesordnung gemeinsam beraten. War dies auch unter Corona-Bedingungen möglich? Die Arbeitgeberseite schlug eilig vor, dass Betriebsräte ihre Beschlüsse zukünftig nicht mehr in Sitzungen vor Ort, sondern im Rahmen von Video- oder Telefonkonferenzen fällen sollten. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) ging noch einen Schritt weiter: In seiner offiziellen Stellungnahme „zur Notwendigkeit, die Handlungsfähigkeit der Betriebspartner in der aktuellen Krise zu gewährleisten“ plädierte er dafür, die Betriebsratssitzung gleich ganz abzuschaffen und stattdessen im Umlaufverfahren zu beschließen. Auch sollte jeweils ein dreiköpfiger Notausschuss bestellt werden, der in Zukunft für alle Beteiligungsfragen zuständig sein sollte. Und nebenbei, ohne ersichtlichen Zusammenhang zur Pandemie, sollte auch noch die Mitbestimmung bei Einstellungen und Versetzungen ausgesetzt werden. Dem DAV sei es darum gegangen, die Handlungsfähigkeit der ArbeitgeberIn vorübergehend zu stärken und Insolvenzen möglichst zu verhindern. Das käme auch den ArbeitnehmerInnen zugute, wie der Arbeitgeberanwalt Jobst-Hubertus Bauer später beteuerte.

Zwar formierte sich hier schnell Widerstand und fast 400 arbeitnehmernahe RechtsanwältInnen forderten in einem offenen Brief den DAV dazu auf, die Stellungnahme zurückziehen. Aber der DAV ist mit knapp 63.000 Mitgliedern eine einflussreiche Institution, und die Stellungnahme ist weiterhin online. Wenige Tage später wurde ein Entwurf für eine Änderung des Personalvertretungsrechts aus dem Bundesministerium des Inneren bekannt, der prompt digitale Sitzungen und Beschlüsse im Umlaufverfahren vorsah. Zudem sollten die Änderungen nicht befristet werden, hätten also auch über die Pandemie hinaus Bestand gehabt.

Kollektive Interessenvertretung in Gefahr

Bei der geforderten Änderung des Beschlussverfahrens geht es nicht um eine reine Formalie. Die Form der Entscheidungsfindung im Gremium ist Ausdruck der demokratischen Verfasstheit von Betriebs- und Personalräten. Es gehört zum Charakter der Räte, dass sie gleichberechtigt und frei über die betrieblichen Themen beraten und jede/r sich gleichermaßen an der kollektiven Willensbildung beteiligen kann. Umlaufverfahren und Sitzungen per Videokonferenzen würden die Art des Zusammenkommens und Debattierens nachhaltig verändern. Betriebs- und Personalräte könnten ihre Eigenschaft als politische Gremien verlieren und zu reinen Entscheidungsinstanzen werden. Eine Schwächung der demokratischen Konstitution der Gremien schwächt auch ihre Bindung an die Belegschaften. Nur durch politische Interventionen an den richtigen Stellen konnte durchgesetzt werden, dass die Änderungen sowohl im Personalvertretungs- und später auch im Betriebsverfassungsrecht lediglich befristet gelten.

Im April versuchte es der CDU-Wirtschaftsrat dann mit einem Vorstoß, der vorsah, dass in Betrieben ohne Betriebsrat die Arbeitgeberin einseitig für alle ArbeitnehmerInnen Kurzarbeit anordnen könne. Es sei kein Angriff auf die Mitbestimmung, wurde als Beschwichtigung gleich mitgeliefert. Aber selbstverständlich ist es als solcher zu verstehen. Es ist Kern des Gedankens der Mitbestimmung, dass die kollektiven Interessen der Belegschaft durch ein gemeinsam gewähltes Gremium vertreten werden können. Zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat verhandelte Betriebsvereinbarungen sind höherwertiger als die individuellen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeberin und einzelnen ArbeitnehmerInnen. Die Betriebsverfassung überschreitet an dieser Stelle das liberale Rechtssystem mit seiner individuellen Vertragsfreiheit. Gerade an der Frage von Kurzarbeitsvereinbarungen wurde die Bedeutung kollektiver Interessenvertretung für die Betriebe deutlich. Der CDU-Wirtschaftsrat wollte dieses demokratische Prinzip kurzerhand durch die Stärkung der Autorität der Arbeitgeberin aushebeln.

Die bisher größte Attacke kam jedoch vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall. In einem im Juni veröffentlichten Positionspapier mit dem Titel: „Wiederhochfahren und Wiederherstellung –Vorschläge für die 2. und 3. Phase der Corona-Krise“ wurde die gesamte Breite neoliberaler Forderungen nach Rückbau sozialstaatlicher Institutionen abgefeuert; erhebliche Einschnitte bei der betrieblichen Mitbestimmung inklusive. Selbst vor dem Herzstück der Betriebsverfassung – der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 BetrVG – wurde kein Halt gemacht. Mitbestimmung bei Verkürzung und Verlängerung der Arbeitszeit, Gefährdungsbeurteilungen und anderen Fragen sollte für den Betriebsrat nur noch innerhalb festgelegter Fristen möglich sein. Die Mitbestimmung beim Arbeits- und Gesundheitsschutz solle gleich generell eingeschränkt werden. Das sei zeitgemäß und würde einer modernen Betriebsverfassung entsprechen. Natürlich sieht Gesamtmetall keinen Anlass, die Mitbestimmung bei akuten Themen wie Infektionsprophylaxe oder Digitalisierung auszuweiten.

Parlamentarische Kräfteverhältnisse könnten sich ändern

Noch sind die parlamentarischen Verhältnisse im Bundestag derart, dass ein Abbau der Mitbestimmungsrechte nicht ansteht. Aber das kann sich schnell ändern. In der Fraktion DIE LINKE spielt die Verteidigung und Ausweitung der Mitbestimmung eine vergleichsweise große Rolle. Auch Bündnis 90/Die Grünen haben kürzlich einen erfreulich weitgehenden Antrag zur Ausweitung der Mitbestimmung gestellt. Aber angesichts der Schwäche der SPD droht das linke parlamentarische Lager zu wackeln. CDU/CSU, FDP und AfD ist gemeinsam, dass sie den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit versuchen wegzudiskutieren. Interessenvertretungen würden ihre Arbeit dann gut machen, wenn im Betrieb alles harmonisch verlaufe. Von Konflikten zu sprechen und die Gremien dafür wappnen zu wollen, sei verfehlt und würde einen Klassenkampf beschwören, den es in deutschen Betrieben so nicht mehr gäbe.

Betriebliche Mitbestimmung verteidigen!

Tatsächlich sind die meisten Betriebsräte eher zurückhaltend beim Führen betrieblicher Konflikte. Es sind eher die ArbeitgeberInnen, die sich klassenkämpferisch betätigen und die Arbeit der Betriebsräte vehement attackieren. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass es betriebliche Mitbestimmung in Deutschland gibt und keine Selbstverständlichkeit, dass wir sie auch zukünftig in dieser Form weiter haben werden. Die beste Verteidigung ist, Mitbestimmung in so vielen Betrieben wie möglich zu realisieren. Gerade jetzt sollten neue Betriebsräte entstehen! Nur ein paar gute Gründe:

  • Mit der Corona-Pandemie wurde der betriebliche Gesundheitsschutz für ArbeitnehmerInnen und Betriebe zu einer Frage von herausragender Bedeutung. Es gibt trotzdem weiterhin keine verpflichtenden Vorgaben für ArbeitgeberInnen, was die Corona-Prophylaxe angeht. Der Betriebsrat hat beim Arbeits- und Gesundheitsschutz volles Mitbestimmungsrecht. Nur mit Betriebsrat wird es einen effektiven Infektionsschutz im Betrieb geben.
  • Kurzarbeit ist für viele Beschäftigte eine existentielle Frage. Nur Betriebs- und Personalräte sind in der Lage, mit der Arbeitgeberin entsprechende Vereinbarungen zu verhandeln und eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durchzusetzen.
  • Viele Unternehmen drohen mit Betriebsänderungen und Personalabbau in Folge von Corona. Ohne Betriebsrat haben sie hier weitgehend freie Hand. Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss sind in der Lage zu prüfen, wie die wirtschaftliche Lage des Unternehmens wirklich ist und können mit der Arbeitgeberin einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln.

Corona bedeutet keinerlei Einschränkung, was die Möglichkeit einer Betriebsratswahl angeht. Selbst in den ersten Wochen des Lockdowns in Kurzarbeit-Null haben sich in Deutschland mehrere neue Betriebsräte gewählt. Jeder neue Betriebsrat stärkt das Prinzip Mitbestimmung für alle Beschäftigten.

Fünf Vorzüge einer Listenwahl

zwei Wahlmodi

Die Wahlordnung kennt zwei verschiedene Wahlverfahren: Die Listen- und die Personenwahl. Der wesentliche Unterschied ist: Bei der Listenwahl wird nicht für einzelne Personen gestimmt, sondern für eine Liste und alle ihre Personen. Wie wird entschieden, welcher Wahlmodus bei einer Betriebsratswahl zum Zuge kommt? Ganz einfach: sobald jemand eine zweite Liste initiiert und das Minimum an Stützunterschriften einsammelt, ist die Listenwahl herbeigeführt. Der Wahlvorstand hat dagegen keinen direkten Einfluss darauf, ob eine Personen- oder eine Listenwahl durchgeführt wird.

Durch meine Arbeit als Wahlvorstand und Betriebsrat weiß ich, dass es Kolleg*innen und Betriebsräte gibt, denen die Listenwahl nicht geheuer ist, gar als schädlich oder undemokratisch gilt. Für diesen Argwohn, verbunden mit der Bevorzugung der Personenwahl, kenne ich bisher keine überzeugenden Gründe. Ich möchte im Folgenden sogar die Gegenthese vertreten: Listenwahlen haben da, wo sie möglich sind, mehr Vorzüge als Personenwahlen.

Was spricht für die Listenwahl?

(1) Mehr Mobilisierung

Die Listenwahl hilft, mit einer in unserer Zeit um sich greifenden Ausgangslage umzugehen, die Betriebsratsarbeit erheblich erschwert: Betriebe, deren Mitarbeiter nur sehr begrenzt ein kollegiales Verhältnis zueinander entwickeln können, weil es schlicht keinen Ort gibt, an dem sie sich in ihrem Arbeitsalltag begegnen: keine Werkshalle, kein gemeinsames Büro, keine Kantine, kein Lehrerzimmer, nicht einmal eine Eingangstür, vor der man gemeinsam eine Raucherpause einlegt. In solchen „ortlosen“, abstrakten oder buchstäblich in hunderte Teile zersplitterten Betrieben steht Betriebsratsarbeit vor der schwierigen Aufgabe, überhaupt erst einmal das Interesse der KollegInnen für die Existenz ihres Betriebsrates zu wecken,

Jede Liste ist bestrebt, personell gut aufgestellt zu sein und für ihre Ziele genug Stimmen und persönliche Fähigkeiten in die Waagschale werfen zu können. Entsprechend größer sind die Anstrengungen, viele und starke Kandidat*innen für die eigene Liste zu gewinnen. Sicher kann es dabei vorkommen, dass sich die Listen gegenseitig Kandidat*innen abjagen. Aber entscheidender ist, dass die absolute Zahl der geworbenen Kandidat*innen bei einer Listenwahl höher ist als bei einer Personenwahl. Die Listenwahl hat also ein höheres Potential zur Mobilisierung geeigneter Kandidat*innen.

(2) Fokus auf die Inhalte

Wie bei fast allen Wahlen spielt auch bei einer Betriebsratswahl die Bekanntheit der Kandidat*innen, oder auch die persönliche Bekanntschaft mit ihnen, eine große Rolle. Bei einer Personenwahl ist dies offensichtlich die ausschlaggebende Größe: Man macht seine Kreuze bei den Personen, die man kennt und die in der Vergangenheit positiv oder wenigstens nicht negativ aufgefallen sind. Natürlich spielt dieses Kriterium auch bei einer Listenwahl eine wichtige Rolle – schließlich hat der Wahlvorstand die Listenmitglieder bekanntgegeben und je zwei Vertreter*innen jeder Liste stehen auch namentlich auf dem Stimmzettel. Aber bei der Listenwahl erhält die Personalisierung ein Gegengewicht durch das, wofür die Listen mit ihren unterschiedlichen Programmen, Zielen, Erfolgen der Vergangenheit usw. stehen. Wenn sich die Listen nicht nur personell, sondern auch in Programmatik voneinander unterscheiden, haben die Wahlberechtigten eine echte Wahl – was wiederum eine mobilisierende Wirkung hat.

(3) Mehr Interesse an der Arbeit des Betriebsrates

Die mobilisierende Wirkung einer in diesem Sinne echten Wahl kann sich in einer höheren Wahlbeteiligung und in anhaltendem Interesse an der Arbeit des neuen Betriebsrats zeigen: So wollen die WählerInnen etwa wissen und überprüfen, was „ihre“ Liste von ihrem Programm einbringen und umsetzen konnte. Wenn sich die Listen programmatisch binden, erhält der zukünftige Betriebsrat durch die Stimmabgabe für diese Programme wie auch durch die prozentuale Gewichtung der Programminhalte im Wahlergebnis einen inhaltlich bestimmten Wähler*innenauftrag.

(4) Schutz für Minderheitenpositionen

Gegen die Meinung, Personenwahlen führten zu mehr Einigkeit als Listenwahlen, würde ich einwenden, dass es auch nach Personenwahlen zu Konflikten kommt, die nicht selten zu Rücktritten oder Inaktivität von im Konflikt unterlegenen Mitgliedern führen. Die „Überlebenden“ solcher post-elektoralen Konflikte führen dann einträchtig und ungestört die Geschäfte weiter.  Die Frage ist: hätten sie diese unangefochtene Position auch dann erhalten, wenn sie sich als Liste zur Wahl gestellt hätten? Oder hätten nicht gerade die später Zurückgetretenen, wenn sie sich als Liste formiert hätten, die Mehrheit gewonnen – oder zumindest einen so beachtlichen Anteil der Stimmen, dass sie nach der Wahl nicht so schnell aufgegeben hätten? Die Listenwahl wirkt also auch als Schutz für Minderheitenpositionen und für zarter besaitete Kolleg*innen – und zwar umso mehr, je klarer und überzeugender sich eine Liste vor der Wahl inhaltlich positioniert und dafür Stimmen bekommen hat.

(5) Versachlichung von Konflikten

Konflikte werden von vornherein sachlicher, vorsichtiger und weniger persönlich geführt, wenn man sich bewusst ist, dass man nicht so sehr mit einer einzelnen Person streitet, sondern mit einer Liste, die einen bestimmten Wähler*innenwillen vertritt. Ein einzelnes Mitglied kann nicht so leicht eingeschüchtert, an den Rand gedrängt oder vergrault werden, wenn es im Schutz einer Liste steht.

Das Betriebsverfassungsgesetz steht, indem es die Listenwahl vorsieht, für eine plurale Demokratie.  Gegen die Herbeiführung einer Listenwahl wurde eingewandt, dass dies die Belegschaft spalte und den Betriebsrat schwäche, weil er dann dem Arbeitgeber nicht mit einer Stimme entgegentreten könne. Dieses Argument mag von echter Sorge um die Interessen der Arbeitnehmer*innen getragen sein. Es ist aber eher umgekehrt: Man schwächt den Betriebsrat, wenn man die Bereitschaft von Kandidat*innen zur Vielstimmigkeit, zum Dissens, zum Austragen von Konflikten ablehnt oder gar als „spaltend“ abwertet. Die Stärke eines Betriebsrates zeigt sich wesentlich in seiner Konfliktfähigkeit. Zu dieser gehört beides: die Fähigkeit, sich zu einigen, Kompromisse zu finden ebenso wie die Bereitschaft, sich auf der Suche nach dem besten Weg wenigstens vorübergehend zu entzweien. Genau das ist es, was die Gründung einer Liste bedeutet. Die Handlungs- und Beschlussfähigkeit des Betriebsrats wird dadurch in keiner Weise gemindert. Wenn ein Gremium in einer wichtigen Frage keine Einigkeit erreichen kann, wird eben abgestimmt.

Jan Köttner, Betriebsratsvorsitzender der Lebenshilfe in der Schule gGmbH

(es handelt sich um die gekürzte Version eines längeren Beitrages zu diesem Thema)

Die fünf häufigsten Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstandes

Die Betriebsratswahlen 2018 stehen vor der Tür. An den Betriebsräten ist es nun die Wahlvorstände zu bestellen, die die Betriebsratswahlen organisieren sollen. Eigentlich ein einfacher Vorgang, aber es passieren dabei doch trotzdem immer kleinere und größere Fehler. Wir haben die fünf häufigsten für Euch zusammengestellt, so dass Ihr sie bei der Bestellung Eures Wahlvorstandes vermeiden könnt.

1.Der Wahlvorstand wird zu spät bestellt

Nach § 16 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat den Wahlvorstand spätestens zehn Wochen vor Ende seiner Amtszeit zu bestellen. Das bedeutet, dass der Wahlvorstand dann vier Wochen Zeit hätte, bevor er spätestens das Wahlausschreiben erlassen muss. In dieser Zeit muss sich das Gremium organisieren, eine entsprechende Schulung besuchen und die Zuarbeit der Arbeitgeberin bei der Erstellung der Wählerliste einfordern. Gerade letzteres nimmt oft viel Zeit in Anspruch, weil immer wieder Informationen fehlen und nachträglich angefordert werden müssen.

Es spricht nichts dagegen den Wahlvorstand wesentlich früher zu bestellen, um ihm genug Zeit für alle Vorbereitungen zu geben. Wir empfehlen mindestens drei Monate vor Ende der Amtszeit. In größeren Betrieben, oder solchen mit komplizierten Strukturen sind vier bis fünf Monate sicherlich angebracht.

 

2. Es wird kein Vorsitz benannt

Der Betriebsrat hat den Vorsitzenden des Wahlvorstandes selbst zu bestellen. Häufig wird dies nicht gemacht und es dem Wahlvorstand selber überlassen, den Vorsitz aus seinen eigenen Reihen zu wählen. Ein Vorgang, der vermutlich nicht gleich zur Wahlanfechtung führen wird, aber korrekt ist er sicherlich nicht. Wer sollte denn zur Wahlvorstandssitzung einladen auf der der Vorsitz gewählt werden soll? Und wer sollte die Tagesordnung festlegen? Ohne Vorsitz ist der Wahlvorstand nicht arbeitsfähig, deswegen muss der Betriebsrat bei der Bestellung auch den Vorsitz festlegen. Natürlich spricht nichts dagegen, dass der Betriebsrat sich vorher mit den Kolleg*innen, die den Wahlvorstand bilden sollen berät und abfragt, wer dieses Amt gerne übernehmen möchte.

 

3. Der Wahlvorstand besteht aus zu wenigen Mitgliedern

Ein Wahlvorstand besteht aus drei Mitgliedern, soviel scheint klar zu sein. Oft wird jedoch übersehen, dass im normalen Wahlverfahren (nicht jedoch im vereinfachten Verfahren!) der Betriebsrat auch einen größeren Wahlvorstand bestellen kann. Gerade in großen Betrieben, oder solchen mit vielen, räumlich voneinander getrennten Betriebsteilen ist es jedoch von Vorteil, wenn es mehr Wahlvorstandsmitglieder gibt. In diesen Konstellationen sollte in jedem Fall von der Möglichkeit eines größeren Wahlvorstandsgremiums Gebrauch gemacht werden. Natürlich muss das Gremium immer eine ungerade Zahl von Mitgliedern aufweisen.

Man sollte es mit der Größe des Wahlvorstandes aber auch nicht übertreiben. Je mehr Mitglieder, desto mehr Meinungen und desto umfassender werden die Diskussion im Gremium. Zu viele Mitglieder können sich auch lähmenden auf die Arbeit des Wahlvorstands auswirken. Deswegen sollte der Betriebsrat genau abwägen, wie viele Mitglieder der Wahlvorstand umfassen sollte.

 

4. Ein falsches Nachrückverfahren wird angenommen

Die Mitglieder des Wahlvorstands werden nach einem anderen System vertreten, als dies beim Betriebsrat der Fall ist. Das Nachrücken beim Betriebsrat erfolgt entlang einer Liste, deren Reihenfolge durch das Wahlergebnis bestimmt wird. Da der Wahlvorstand hier nicht gewählt, sondern bestellt wurde, gibt es keine solche Liste. § 16 Abs. 1 BetrVG regelt stattdessen, dass für jedes einzelne Wahlvorstandsmitglied ein bestimmtes Ersatzmitglied benannt wird. Klaus kann dann also nur von Ayşe vertreten werden und Stefania nur von Pawel, usw. Der Betriebsrat kann auch ein anderes Nachrückverfahren festlegen, dann muss er dies in seinem Beschluss aber eindeutig bestimmen und dem Wahlvorstand mitteilen. Ein falsches Nachrücken führt ansonsten ggf. zu ungültigen Beschlüssen des Wahlvorstands.

 

5. Der Wahlvorstand wird ungünstig zusammengesetzt

Wie der Wahlvorstand in Eurem Betrieb zusammengesetzt werden sollte, wisst Ihr selbst am besten. Wichtig ist es nur, auch hier eine bewusste Entscheidung zu fällen und nicht unbedingt die drei ersten Kolleg*innen zu nehmen, die sich anbieten (natürlich wissen wir, dass oft die drei ersten Kolleg*innen, auch die einzigen Kolleg*innen sind und der Betriebsrat gar keine richtige Wahl hat).

Das BetrVG empfiehlt, dass sowohl Frauen als auch Männer im Wahlvorstand vertreten sein sollen. Das ist keine Pflicht, wäre aber natürlich wünschenswert. Genauso wie, dass sich verschiedene Abteilungen oder Arbeitnehmer*innegruppen im Gremium wiederfinden. Natürlich wäre es auch ratsam, dass nicht unbedingt nur aktive Betriebsratsmitglieder den Wahlvorstand bilden sollten. Die Doppelbelastung sollte man nicht unterschätzen und der Wahlvorstand ist ja auch eine gute Gelegenheit, um neue Kolleg*innen an die Mitbestimmungsarbeit heranzuführen. Gerade in schwierigen Konstellationen kann es aber hilfreich sein, wenn eine gremienerfahrene Person im Wahlvorstand die anderen unterstützen kann.

 

Wir wünschen viel Erfolg bei der Bestellung Eures eigenen Wahlvorstandes!