Einigkeit im Arbeitskampf: Zusammenarbeit institutioneller und aktivistischer Arbeiter*innen

von René Wolf

Im Sommer 2019 schlossen sich studentische Hilfskräfte an der Universität Potsdam unter dem Namen StudisGutBezahlt! zusammen, um sich gegen Lohndumping und unrechtmäßige Beschäftigungspraktiken zur Wehr zu setzen. Verschiedene gewerkschaftliche und hochschulpolitische Gruppen führten dafür eine gemeinsame Kampagne. In diesem Artikel blicke ich als Beteiligter dieser Basisorganisierung auf die Unterstützungsmöglichkeiten des Personalrats in solchen Arbeitskämpfen.

Ausgangssituation: Rechte von studentischen Hilfskräften

Werfen wir zuerst einen Blick auf die komplexe Ausgangssituation:

Für Studierende, die an Hochschulen als studentische Hilfskraft (SHK) arbeiten, gelten besondere rechtliche Bestimmungen:

1) die Länge und Häufigkeit ihrer Befristung ist im Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) geregelt,

2) SHK sind vom Tarifvertrag der Länder (TV-L) ausgenommen und werden nach Maßgabe des Bildungsministeriums knapp über Mindestlohn vergütet,

3) SHK-Tätigkeiten sind auf Wissenschaft und Lehre unterstützende Bereiche begrenzt.

Die Hochschulen nutzten diese Situation aus, verteilten jahrelang nicht-wissenschaftliche Aufgaben an SHK und sparten sich damit reguläre Stellen z.B. in den Bibliotheken, in der Verwaltung und im IT-Management.

Im Juni 2018 kam es zu einem folgenreichen Urteil vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Eine SHK, die mit der Betreuung von Webseiten beauftragt war, klagte und bekam Recht. Ihre Tätigkeiten wurden nicht als wissenschaftlich anerkannt und der Humboldt-Universität auferlegt, ihr einen unbefristeten Arbeitsvertrag auszustellen und sie nach TV-L zu vergüten. Damit schuf das Gericht einen Präzedenzfall für alle Hochschulen in Berlin und Brandenburg, so auch für Potsdam.

Die Universität Potsdam traf das Urteil unvorbereitet. Statt einer nachgeholten Abkehr von der rechtswidrigen Beschäftigungspolitik wurden Mittel und Wege gefunden, diese aufrechtzuerhalten. Auf Anregung der Freien Arbeiter*innen Union (FAU) schlossen sich daraufhin davon betroffene und organisierte Studierende von GEW, ver.di und studentischer Selbstverwaltung zusammen, um SHK-Stellen auch in Potsdam in ordentliche TV-L-Stellen zu überführen.

Die Etappen des Arbeitskampfes

Die ersten Schritte unserer Gruppe bestanden darin, sich in die aktuelle Rechtslage einzulesen und uns mit anderen Akteur*innen zu vernetzen. Dabei waren die studentischen TV-L-Gruppen aus Berlin mit ihrem Knowhow und ihren Organisierungsfähigkeiten aus dem Streik im Vorjahr eine große Hilfe. Aber auch die Kontaktaufnahme zum Personalrat (PR) der Universität Potsdam war wertvoll. Nach einer Änderung des Personalvertretungsgesetzes im Jahr zuvor war der PR auch für die Vertretung der SHK zuständig, hatte sich dieser Aufgabe jedoch bis dahin nicht angenommen. So bestand kaum Wissen über Arbeitsbedingungen von SHK und keine Ressourcen wie etwaige E-Mailverteiler oder sonstige Kontaktmöglichkeiten zu SHK.

Auf mehrere Arten versuchten wir als StudisGutBezahlt!, Kolleg*innen über ihre arbeitsrechtliche Situation zu informieren und SHK mit vorwiegend nicht-wissenschaftlichen Tätigkeiten einzubinden. Zu Beginn der Kampagne luden wir zu einer Versammlung ein, auf ein gemeinsamer Forderungskatalog ausgearbeitet und anschließend der Hochschulleitung überreicht wurde. Der ursprünglichen Idee, eine offizielle Personalversammlung während der Arbeitszeit einzuberufen, stimmte der PR leider nicht zu. Im späteren Verlauf veranstalteten wir gezielte Bürorundgänge an Orten, an denen laut unserer Recherche SHK Verwaltungsaufgaben nachgingen. Als sehr hilfreich erwiesen sich Fragebögen zu den konkreten Beschäftigungsverhältnissen, mit denen wir nicht nur ein besseres Bild der Lage zeichnen, sondern auch Aussagen der Hochschulleitung stets kritisch prüfen konnten. Größte Hürde unserer Aktivierungsstrategie war jedoch das fehlende Interesse der SHK. Das mag mehrere Gründe haben: Hoffnung auf Kontakte für späteren Arbeitsweg, wenig Interesse am Job über das Studium hinaus und ein Arbeitsumfeld nur aus Vorgesetzten und wenigen Verbündeten.

All unsere Aktionen waren von Pressearbeit begleitet. Der Konflikt wurde in mehreren regionalen Zeitungen thematisiert und so öffentlicher Druck auf die Hochschulleitung ausgeübt. Der PR wollte unser Anliegen nicht offiziell unterstützen.

Ein letzter großer Schritt war die Einladung des PR zu seinem monatlichen Gespräch mit der Hochschulleitung in den Räumlichkeiten des PR. Hier konnten wir den Universitätspräsidenten – umgeben von Personen, denen gegenüber er eine gesetzliche Pflicht zur Zusammenarbeit hat – mit unseren Forderungen konfrontieren. Auf dem Treffen sicherte uns die Hochschulleitung Stellenumwandlungen von SHK- in TVL-Stellen zu, allen voran im Bibliotheksbereich. Das war ein wichtiger Teilerfolg. Zahlreiche Stellen, an denen SHK nach wie vor nicht-wissenschaftlichen Tätigkeiten nachgehen, blieben jedoch unverändert und die Hochschulleitung sicherte lediglich eine Prüfung der Stellen zu. Aus den Bürorundgängen wussten wir aber, dass damit vielmehr die Grauzonen in den SHK-Tätigkeitsbeschreibungen ausgeweitet wurden.

Einer Begleitung dieser Stellenprüfung wollte sich der PR nicht annehmen und uns als selbstorganisierter Gruppe fehlten dafür die institutionellen Rechte. Weitere Versuche, die betroffenen SHK zu organisieren, schienen uns nicht zielführend und so trennte sich die Gruppe vorerst. Der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen für SHK geht jedoch weiter. Zur Zeit vernetzen sich bundesweit diverse Initiativen für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte nach Berliner Vorbild. Außerdem bekommen Hochschulen in Brandenburg einen eigenen studentischen PR, der im Kampf für die Rechte von SHK maßgeblich unterstützen kann.

Fazit: Was bedeutet das für eine Zusammenarbeit?

Aus den Erfahrungen dieses konkreten Beispiels ziehe ich folgendes Fazit für die Zusammenarbeit zwischen Beschäftigten mit und ohne Vertretung:

Es zeigte sich, dass der PR nicht auf uns als Gruppe sowie der Vertretung von SHK vorbereitet war. Er überging damit gerade die schwächsten Glieder der akademischen Hierarchie. Als wir uns mit unserem Anliegen beim PR meldeten, begegnete man uns hilfsbereit und beriet uns zur Rechtslage und Taktiken der Universität. Besonders die Einladung zu dem monatlichen Gespräch mit der Hochschulleitung war eine ausgezeichnete Idee. Der PR ließ uns so an seinen institutionellen Rechten teilhaben und verschaffte unserem Anliegen Gehör.

Eine öffentliche Positionierung des PR zu unseren Gunsten, etwa in einer Pressemitteilung, blieb leider aus. Damit hätte das Anliegen sowohl vor der Universitäts- als auch der Stadtöffentlichkeit an Legitimität gewonnen. Andererseits kann hier eine gezielte Aufgabenaufteilung auch von Vorteil sein: Die Basisgruppe übt öffentlich harsche Kritik, während der PR das konstruktive Gespräch mit der Hochschulleitung sucht.

Zuletzt bleibt das Thema nach einem Teilerfolg bedauerlicherweise liegen. Der PR nahm sich weder der kritischen Begleitung der SHK-Stellenprüfung an noch der Prüfung neu ausgeschriebener Stellen auf ihre Wissenschaftlichkeit oder der gezielten Kontaktaufnahme zu betroffenen SHK. Wie die Anliegen aktivistischer Beschäftigtengruppen auch in die institutionelle Praxis überführt und verankert werden können, bleibt offen.

Ein offizielles Vertretungsorgan wie ein Personalrat und gewerkschaftliche Basisgruppen ohne Vertretung haben natürlicherweise sehr verschiedene Arbeitsweisen, Selbstverständnisse und Ressourcen, auf die sie zurückgreifen können. Es eint sie jedoch das Anliegen, die eigenen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Zu lernen, wie wir uns dabei gegenseitig unterstützen können und welche Rolle wir dabei jeweils einnehmen, ist unerlässlich für die Durchsetzung gerechterer Beschäftigungsverhältnisse.