Die Geschäftsordnung des Betriebsrates – Basis und Handlungssicherheit für alle Gremien

Eine lesenswerte Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2007[1] hatte ergeben, dass zwar viele Betriebsräte über eine Geschäftsordnung verfügen, die meisten jedoch eine der zahlreich im Internet verfügbaren Vorlagen verwendet haben. Diese Vorlagen geben meist nur ohnehin geltende Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes wieder und helfen dem Betriebsrat deswegen kaum, die Arbeit des eigenen Gremiums individuell zu gestalten. Das Ergebnis ist, dass die meisten Geschäftsordnungen als solche wenig genutzt werden. Daneben existieren häufig mündliche Vereinbarungen und Routinen, die die BR-Arbeit zwar prägen, aber nie schriftlich fixiert wurden.

Wir möchten hier nachdrücklich dafür werben, dass sich alle Betriebsräte eine schriftliche Geschäftsordnung geben, wie es in § 36 BetrVG vorgesehen ist. Dies ist jedoch nicht damit getan, eine Vorlage zu verabschieden, sei sie auch noch so gut. Vielmehr sollte das gesamte Gremium einen Diskussions- und Findungsprozess starten, in dem gemeinsam erarbeitet wird, welche Regelungen für die eigene Arbeit hilfreich und sinnvoll sind. Was braucht Ihr als Betriebsrat im konkreten Umfeld Eures Betriebes, um gut zusammen arbeiten zu können? Dieses gemeinsame Besprechen, Diskutieren und Verhandeln über die eigene Geschäftsordnung muss der Kern jedes Regelwerks sein.

Was ist das Ziel einer Geschäftsordnung?

Der Betriebsrat ist ein demokratisches ­– und kein technokratisches – Gremium. Das bedeutet, dass es nicht darum geht, die einzig wahre, “richtige” Entscheidung zu fällen. Denn was die „richtige“ Entscheidung ist, hängt immer von jeweiligen Interessen, Meinungen und Neigungen ab. Vielmehr geht es darum, Entscheidungen zu treffen, an deren Entstehung sich möglichst alle Mitglieder des Gremiums in gleicher Weise beteiligen konnten. Auf dem Weg dorthin wird es Diskussionen, Auseinandersetzungen und vielleicht sogar Streitigkeiten geben. Das darf auch so sein. Schließlich handelt es sich um politische Entscheidungen, um die verhandelt und gerungen werden muss. Wichtig ist dabei jedoch, dass interne Diskussionen fruchtbar bleiben und die Arbeit des BR nicht lähmen, so dass der Betriebsrat trotz unterschiedlicher interner Positionen nach Außen immer aktiv und handlungsfähig ist. Das Betriebsverfassungsgesetz versammelt hier bereits eine Reihe von hilfreichen Regelungen, um dies zu ermöglichen. Je nach betrieblicher Situation kann es jedoch sinnvoll sein, diese Regelungen noch durch eigene Vorgaben zu ergänzen – und hier kommt die Geschäftsordnung ins Spiel.

Was kann in einer Geschäftsordnung geregelt werden?

  • Deklaratorische Inhalte, also Fragen, die im BetrVG bereits zwingend geregelt sind, die aber in der Geschäftsordnung noch einmal wiederholt werden. Der Vorteil: Dies führt allen Mitgliedern des Gremiums sämtliche Vorgaben klar vor Augen. Im Mittelpunkt sollten aber die vom Gremium selbst erarbeiteten Regeln stehen. Wie bereits erwähnt, basieren die meisten Vorlagen auf eben solchen deklaratorischen Inhalten, was auch zu erwarten ist, denn Außenstehende können die besonderen Erfordernisse einzelner Gremien nicht kennen.

Der Betriebsrat kann im Übrigen in der Geschäftsordnung nicht von jenen Regelungen abweichen, die im BetrVG bereits zwingend festgeschrieben sind.

  • BR-Sitzungen: Wann finden die regelmäßigen BR-Sitzungen statt, wann und wie soll dazu eingeladen werden und in welcher Form? Wann und wie müssen sich BR-Mitglieder abmelden, falls sie verhindert sind? Gibt es feste Tagesordnungspunkte? Wie kann die Tagesordnung verändert oder ergänzt werden? Wer darf an der Sitzung teilnehmen, und wie verhält es sich mit dem Einladen von Gästen?
  • Vertretung: Was passiert, wenn sowohl Vorsitz als auch die Stellvertretung verhindert sind? Eine ausreichende Liste von Stellvertreter*innen sollte festgelegt werden.
  • Sitzungsordnung: Wer hat wann Rederecht? Gibt es eine Redner*innenliste? Ist die Redezeit festgelegt? Wie wird abgestimmt? Gibt es vielleicht Verhaltensregeln für die BR-Sitzung in Bezug auf Redeverhalten, Essen während der Sitzung, Nutzung des Smartphones etc.? Wie sind Pausen geregelt?
  • Was ist unter „laufenden Geschäften“ zu verstehen? Welche Handlungen kann der*die Vorsitzende in alleiniger Verantwortung ausführen, und was unterliegt der Aufsicht und dem Beschluss des gesamten Gremiums?
  • Schriftführung: Wer übernimmt die Schriftführung und Protokollerstellung? Nach welchem System wird protokolliert? Wie werden die Unterlagen des BR sortiert und verwahrt? Wer hat wann Zugriff auf diese Unterlagen?
  • Ausschüsse: Welche Ausschüsse gibt es? Wie setzen sich diese zusammen und welche Aufgaben bearbeiten sie?
  • Wie versteht der Betriebsrat die ihn und seine Mitglieder betreffende Verschwiegenheitspflicht und die Achtung des Datenschutzes bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Gremium? Welche konkreten Maßnahmen werden jeweils unternommen, um beides zu gewährleisten?
  • Integration aller BR-Mitglieder: Wie geht der Betriebsrat mit Mitgliedern verschiedenen Geschlechts und Alters, verschiedener Herkunft, Religion und Muttersprachen um? Was unternimmt der BR, um auch Mitglieder mit Kindern oder Pflegeverpflichtungen, körperlich beeinträchtigte und nicht neurotypische BR-Mitglieder problemlos in die Arbeit des Gremiums zu integrieren? Welche Maßnahmen werden getroffen, um einen Konflikt zwischen regulärer Arbeits- und Betriebsratstätigkeit zu verhindern?

Ganz hervorragend ist es, wenn das Gremium ein eigenes Programm und Selbstverständnis als Betriebsrat entwirft und dieses als Präambel der Geschäftsordnung voranstellt.

Was nebensächlich ist, ist die sprachliche Gestaltung der Geschäftsordnung. Nicht alle Regelungen müssen in juristischer Sprache gefasst sein. Wichtig ist, dass Ihr als Gremium versteht, was Ihr regeln wollt und warum. Wenn Ihr die Möglichkeit habt, ist es sicherlich dennoch hilfreich, Eure fertige Geschäftsordnung einem*r Rechtsanwält*in zu zeigen und mit ihm*ihr zu diskutieren.

[1] Martin Renker: Geschäftsordnung von Betriebs- und Personalräten. Analyse und Handlungsempfehlungen. Frankfurt am Main: 2007. Online abrufbar unter: https://www.boeckler.de/pdf/p_mbf_bvd_go_br_u_personalraeten.pdf