Betriebsräte für den Klimaschutz

Vor einem Jahr wurde das Bundes-Klimaschutzgesetz verabschiedet. Als Rahmengesetz bindet es jedoch ausschließlich die öffentliche Hand. Es fehlt weiterhin an Gesetzen oder Verordnungen, die alle privaten Unternehmen zum Klimaschutz verpflichten. Dabei erfolgte bereits im Jahr 2001 ein wichtiger Schritt: Umweltschutz wurde zu einer der allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates erklärt. Die Idee dahinter war, das Wissen der Beschäftigten zu nutzen, um Umweltbelastungen, die vom Betrieb ausgehen, zu vermeiden.[1]

 

Nach zwanzig Jahren muss man jedoch konstatieren, dass das weitestgehend erfolglos blieb. Für die Arbeit der allermeisten Gremien spielt betrieblicher Umweltschutz keine große Rolle: Während sich über 70 % aller Betriebsräte mit Arbeitszeitkonten und Datenschutz beschäftigen, gaben bei der WSI-Betriebsrätebefragung 2017 nur 17 % an, Betriebsvereinbarungen zum Umweltschutz abgeschlossen zu haben.[2] Es sind keine Arbeitsgerichtsverfahren zu Betriebsvereinbarungen zum betrieblichen Umweltschutz dokumentiert.[3]

In Anbetracht der dramatischen Lage können wir es nicht hinnehmen, dass Klimaschutz in der betrieblichen Mitbestimmung keine Rolle spielt. Es ist essenziell, auch und gerade Betriebsräte als Akteure des ökologischen Wandels zu gewinnen.

 

Dafür brauchen Betriebsräte unbedingt ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes, insbesondere des Klimamanagements. Nur dann sind sie in der Lage, Konzepte und Maßnahmen auf Augenhöhe mit der Unternehmensleitung zu verhandeln und im Betrieb umzusetzen. Problem: In der laufenden GroKo-Legislatur wird es eine dementsprechende Gesetzesänderung nicht geben. Doch wir können es uns nicht leisten, mit dem Klimaschutz bis zu günstigeren politischen Konstellationen zu warten. Auch ohne volles Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat bereits jetzt zahlreiche Möglichkeiten, sich beim betrieblichen Umweltschutz einzumischen. Betriebsräte sollten diese Optionen in jedem Fall nutzen, weil sie damit die besten Argumente für einen Ausbau der Mitbestimmung in Umweltfragen liefern.

 

Was der Betriebsrat aktuell tun kann

 

Nach § 80 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gehört es zu den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates, Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern. In § 89 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wird dies durch eine Verpflichtung ergänzt, sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Der Betriebsrat ist also bereits klar mandatiert, sich im Betrieb für Umweltschutz zu engagieren. Aber was bedeutet betrieblicher Umweltschutz hier genau? § 89 Abs. 3 BetrVG liefert hierfür sogar eine Legaldefinition, die aber den eigentlichen Begriff des „Umweltschutzes“ zirkulär ungeklärt lässt. Vereinfacht kann man deswegen sagen, dass der Betriebsrat sich zu allen Fragen äußern kann, die man landläufig mit Umweltschutz verbindet, solange sie etwas mit dem eigenen Betrieb zu tun haben. Der Klimawandel bzw. die durch den eigenen Betrieb verursachte Emission von Treibhausgasen gehört allemal dazu.[4]

Der Betriebsrat hat demnach auch das Recht, sich angemessen über die Frage des betrieblichen Klimaschutzes zu informieren. Er kann von der Arbeitgeberin Informationen anfordern, externe und interne Sachverständige befragen und sich im Rahmen von Betriebsbegehungen selbst ein Bild machen. Auch hat er nach § 37 Abs. 6 BetrVG das Recht, Schulungen zu diesem Thema zu besuchen.

 

Über die Informationsbeschaffung hinaus kann der Betriebsrat selbst aktiv werden und bei der Arbeitgeberin auf die Umsetzung klimaschonender Maßnahmen hinwirken. Das können kleine Schritte sein, wie zum Beispiel wassersparendes Verhalten beim Nutzen der betrieblichen Sanitäranlagen oder der Verzicht auf Einweggeschirr in der Kantine. Bei diesen Maßnahmen würde ihm sogar ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 8 BetrVG zukommen. Häufig wird auch über Job-Tickets gesprochen, die die Arbeitgeberin zur Verfügung stellt, um den Umstieg vom PKW auf den ÖPNV zu unterstützen. Vielleicht kann man auch gleich Betriebsfahrräder für den Arbeitsweg oder für Transferfahrten zwischen Betriebsstätten anschaffen. Noch wichtiger wären verbindliche Richtlinien für Dienstreisen. So hat zum Beispiel die Universität Potsdam durch eine interne Regelung sichergestellt, dass bei erforderlichen Reisen von unter 1.000 km grundsätzlich auf Flüge verzichtet wird.

Die vom Betriebsrat angestrebten Änderungen können auch tiefgreifender sein: Aus welchen Quellen bezieht der Betrieb seine Energie? Ist ein Wechsel zu Strom aus erneuerbaren Energien oder der Einbau von Photovoltaik-Anlagen möglich? Auch die konkreten Produkte und angebotenen Dienstleistungen können entlang der gesamten Wertschöpfungskette auf Klimafreundlichkeit hinterfragt werden.

 

Langfristig geht noch mehr

 

Perspektivisch werden einzelne Maßnahmen nicht ausreichen. Vielmehr muss der Betriebsrat darauf drängen, dass das Unternehmen ein nachhaltiges Klimaschutzmanagement etabliert. Das Carbon Disclosure Project (CDP) hat dafür Konzepte entworfen. Das CDP ist eine gemeinnützige Organisation, die dafür wirbt, dass Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen veröffentlichen. Nach ihren Vorgaben muss zuerst eingeschätzt werden, welche Risiken sich durch den Klimawandel für das Unternehmen ergeben und welche Chancen durch den ökologischen Umbau. Danach gilt es, systematisch alle Treibhausgasemissionen zu erfassen, die das Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette produziert. Für diese Art von „Carbon Accounting“ sollte externer Sachverstand hinzugezogen werden. Im dritten Schritt müssen dann konkrete Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen verbunden mit kurz-, mittel- und langfristigen Zielen definiert werden. Im letzten Schritt ist der Klimaschutz in der Unternehmensorganisation zu etablieren, damit die Einhaltung der Ziele auch überwacht wird. Dies kann durch eine Klimabeauftragte oder einen unternehmensweiten Klimarat geschehen, an dem der Betriebsrat natürlich beteiligt ist.[5]

Zumindest die Möglichkeit, freiwillige Betriebsvereinbarungen mit diesen Inhalten abzuschließen, steht dem Betriebsrat nach § 88 Nr. 1a BetrVG jederzeit offen.

 

Beleben kann der Betriebsrat das Thema Klimaschutzmanagement, indem er über den Wirtschaftsausschuss entsprechende Informationen anfordert. Nach § 106 Abs. 3 Nr. 5a BetrVG gehören Fragen des betrieblichen Umweltschutzes ausdrücklich zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten, zu denen sich der Wirtschaftsausschuss vom Unternehmer beraten lassen kann. Nicht selten führt dies dazu, dass das Unternehmen zum ersten Mal selbst über diese Fragen nachdenken und Informationen erheben muss.

 

Um das Thema in die betriebliche Diskussion zu bringen, kann der Betriebsrat die Arbeitgeberin nach § 43 Abs. 2 BetrVG dazu auffordern, auf der Betriebsversammlung einen mündlichen Bericht über den betrieblichen Umweltschutz zu geben. Das bietet Kolleg*innen die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Hinweise zu geben und Ideen einzubringen. Der Betriebsrat könnte auch eine ganze Betriebsversammlung nur diesem Thema widmen.

 

Erzwingbares Mitbestimmungsrecht ist das Ziel

 

Trotz aller derzeitigen Handlungsspielräume ist eines klar: Es bedarf dringend einer Gesetzesänderung, die dem Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht beim betrieblichen Umweltschutz gibt. 2001 hatte man darauf verzichtet, weil man befürchtete, die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberin zu gefährden. Ein weiteres Gegenargument lautete: Wenn man den Betriebsrat zur betrieblichen „Umweltpolizei“ macht, führt dies zu einem Interessenkonflikt des Gremiums. Liegt hier vielleicht der Hase im Pfeffer? Wie entscheiden sich Betriebsräte, wenn es um Klimaschutz auf der einen und wirtschaftliche Interessen des eigenen Unternehmens auf der anderen Seite geht? Betriebsräte sind die natürliche Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten, aber können sie diese Rolle auch für das Klima einnehmen? Vor der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes im letzten Jahr hatte Bernd Osterloh die Klimapolitik der Bundesregierung noch als Gefahr für den Industriestandort Deutschland bezeichnet. Vielleicht ist auch anderen Betriebsräten „das Hemd näher als der Rock“? So erklärte es ein BR-Vorsitzender, dessen Unternehmen an der Herstellung von Produkten für Kernkraftwerke beteiligt war, 1979 auf einer Pro-Atomenergie-Veranstaltung.

 

Klimaschutz hat breite gesellschaftliche Rückendeckung. Es gehört zum Prinzip der betrieblichen Mitbestimmung, dass gesellschaftliche Auseinandersetzungen in den betrieblichen Raum getragen und dort verhandelt werden sollen. Falls sich fortschrittliche, klimabewusste Kräfte in den Betriebsräten nicht durchsetzen können, dann ist das als Ergebnis innerbetrieblicher Demokratie zu akzeptieren. Doch erst einmal müssen diese Diskussionen überhaupt geführt werden. Betriebsräten kritische Auseinandersetzungen und eventuelle Interessenkonflikte nicht „zumuten“ zu wollen, ist lediglich ein Vorwand, um ihnen die nötigen Mitbestimmungsrechte zu verwehren.

[1] Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes Bundestags-Drucksache 14/5741, S. 26.

[2] Baumann, Helge, et. al.: Betriebsvereinbarungen 2017. Verbreitung und Trendthemen. WSI Policy Brief 05/2018.

[3] Vgl. Däubler, Wolfgang: Klimawandel – Ein Thema für den Betriebsrat? NZA 2020, S. 1155.

[4] Vgl. ebenda, S. 1156.

[5] Vgl. die Ideen in der vom CDP, WWF und anderen Organisationen herausgegeben Broschüre: Unternehmerisches Klimamanagement entlang der Wertschöpfungskette – eine Sammlung guter Praxis –.