Klausurtagungen – ein MUSS für jeden Betriebsrat!

Die Aufgaben des Betriebsrates sind komplex und vielfältig. Sie umfassen rechtliche, aber auch betriebswirtschaftliche, organisationstheoretische, gesundheitliche und viele andere Aspekte. Der Betriebsrat muss adäquat auf Herausforderungen durch die Arbeitgeberin reagieren und gleichzeitig seine eigene Agenda verfolgen. Zahlreiche sich wiederholende Aufgaben vermischen sich mit langfristig zu planenden Angelegenheiten und eilenden Notfallthemen. Das sind eine Menge Anforderungen. Angesichts dessen ist es unerlässlich, dass der Betriebsrat seine Arbeit strukturiert und systematisch betreibt. Was das für jedes Gremium konkret bedeutet, kann sehr unterschiedlich sein. Doch für die Erarbeitung des individuellen Wegs zu einer strukturierten Arbeitsweise empfehlen wir grundsätzlich das gleiche, hilfreiche Instrument: die Klausurtagung.

 

Was ist eine Klausurtagung?

 

Im Rahmen einer Klausurtagung nimmt sich der Betriebsrat Zeit, um seine bisherige Arbeit zu reflektieren und einen Plan für die kommenden Monate oder die nächste Legislatur zu erstellen. Die laufenden Geschäfte werden für den Moment zurückgestellt, so dass das Gremium genug Ruhe hat, um sich mit den großen Fragen der eigenen Tätigkeit zu beschäftigen. Eine Klausurtagung kann unter anderem für Folgendes genutzt werden:

 

  • Evaluation der bisherigen Arbeit: Was hat im letzten Jahr gut funktioniert? Welche Erfolge konnte der Betriebsrat erzielen? Was hat nicht gut funktioniert und warum? Was kann im nächsten Jahr besser gemacht werden?
  • Festlegen von Themen und Zielsetzungen für einen bestimmten zeitlichen Abschnitt: Womit will sich der Betriebsrat in der kommenden Zeit inhaltlich konkret beschäftigen und was sind seine Ziele? Damit verbunden sind auch: die Definition von Erfolgskriterien, die Verständigung über die Ausrichtung des Gremiums und das Entwickeln gemeinsamer Strategien zur Zielerreichung.
  • Vereinbarung einer sinnvollen Arbeits- und Aufgabenverteilung innerhalb des Gremiums: Wer übernimmt welche Aufgabe? Zu welchen Themen sollten Ausschüsse eingerichtet werden? Wie sollen diese Ausschüsse arbeiten?
  • Klärung eventuell bestehender Konflikte, seien sie persönlicher oder inhaltlicher Art. Die Klausurtagung ist auch ein Ort, an dem sich die Betriebsratsmitglieder besser kennenlernen und als Team zusammenwachsen können.
  • Erarbeiten oder Überarbeiten einer Geschäftsordnung.
  • Integration von Ersatzmitgliedern und anderen Kolleg*innen, die aus unterschiedlichen Gründen vielleicht nur schwer ins Gremium finden.

 

Dem Betriebsrat steht es frei, eine Klausurtagung so zu gestalten, dass sie am ehesten seinen konkreten Anforderungen und Wünschen entspricht und die Arbeit des eigenen Gremiums voranbringt. Es ist auch möglich, sich auf einer Klausurtagung ausschließlich mit einem besonderen inhaltlichen Problem zu beschäftigen, zum Beispiel einer anstehenden Betriebsvereinbarung. In diesem Falle sollten solche Tagungen aber zusätzlich zu den oben genannten generellen Klausurtagungen abgehalten werden.

 

Darf der Betriebsrat überhaupt Klausurtagungen veranstalten?

 

Ja. Im Sinne des Betriebsverfassungsrechtes gibt es für Klausurtagungen des Betriebsrates zwei Modelle:

 

  1. Modell: Eine Klausurtagung kann eine ausgedehnte Betriebsratssitzung sein, auf der sich speziell mit einem oder mehreren der oben genannten Themen befasst wird. Der Betriebsrat bzw. der*die Vorsitzende ist souverän darin, die Tagesordnung und die zeitliche Lage der Betriebsratssitzung festzulegen. Daraus ergibt sich, dass je nach Themenlage und Diskussionsstand eine BR-Sitzung auch mal länger dauern oder sogar über mehrere Tage verteilt werden kann. Die betrieblichen Belange sind zwar zu berücksichtigen, da Klausurtagungen aber nur selten stattfinden, sollte dies kein Problem darstellen.

 

  1. Modell: Der Betriebsrat lässt sich bei seiner Klausurtagung von einer externen Person begleiten. Was spricht dafür? Nun, als Gremium neigt man leicht zur Betriebsblindheit – das ist in jedem geschlossenen Kreis so und vollkommen normal. Der unverstellte Blick einer professionellen, außenstehenden Person kann hier eine große Hilfe sein. Dafür eignen sich Moderator*innen, fachliche und rechtliche Referent*innen oder Mediator*innen. Das LAG Hessen hat zum Beispiel entschieden, dass die Hinzuziehung einer Moderatorin zu einer Klausurtagung erforderlich sein kann und die Kosten dafür von der Arbeitgeberin zu tragen sind, sofern die Kommunikation im Gremium so gestört ist, dass eine Klärung auch von der*dem Vorsitzenden nicht bewältigt werden kann und die Zusammenarbeit im Gremium dadurch beeinträchtigt wird.[1]

 

Der Fitting Kommentar zum BetrVG erkennt an, dass BR-Arbeit so komplex ist, dass der Betriebsrat nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch in der Lage sein muss, anstehende Probleme sachgerecht zu bearbeiten. Deshalb hält er auch Schulungen zum BR-Management für erforderlich, in denen es um die sinnvolle Organisation der BR-Arbeit gehen soll. [2] Eine solche Schulung kann ebenfalls den Zweck einer Klausurtagung erfüllen, wenn sie als Inhouse-Seminar durchgeführt wird.

 

Wann und wo sollen Klausurtagungen stattfinden?

 

In welchem Rhythmus Klausurtagungen abgehalten werden, hängt von den betrieblichen Gegebenheiten ab. Als Orientierung lässt sich aber sagen, dass es sinnvoll ist, einmal jährlich eine Klausurtagung durchzuführen sowie zusätzliche Tagungen bei größeren Veränderungen, wie zum Beispiel einer Betriebsratsneuwahl, einer tiefgreifenden Betriebsänderung oder einem Betriebsübergang.

 

Auch die Länge der Tagungen kann unterschiedlich sein. Um wirklich intensiv an den oben genannten Fragen zu arbeiten, sollte sich das Gremium jedoch mindestens zwei Tage Zeit nehmen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, eine mehrtägige Klausurtagung nicht im Betrieb, sondern an einem externen Tagungsort zu veranstalten. Nach einem Beschluss des LAG Hessen sind die Kosten hierfür von der Arbeitgeberin zu übernehmen. Der ausführlichen Begründung ist nichts hinzuzufügen:

 

Der Charakter einer Klausurtagung verträgt sich nicht mit der Durchführung in den Betriebsräumen, die naturgemäß von dem in der Umgebung herrschenden Arbeitsklima, Kollegenkontakten und nicht auszuschließenden Störungen nicht unberührt bleiben. Eine positive Wirkung von Klausurtagungen besteht darin, dass alle störenden Einflüsse ausgeschaltet sind und sich die Teilnehmer voll konzentrieren können. Sie bietet daher die beste Gelegenheit, einige Grundsatzentscheidungen zu treffen und die Tätigkeit des Gremiums langfristig auszurichten.”[3]

 

Über die Arbeit hinaus kann dann auch die abendliche Freizeit gemeinsam verbracht werden, was dem Zusammenhalt im Gremium sicherlich zugute kommt.

 

Recht und Arbeit unterstützt Euch

 

Recht und Arbeit bietet nach § 37 Abs. 6 BetrVG erforderliche Inhouse-Seminare zum BR-Management an. Wir unterstützen Euch umfassend bei der Organisation Eurer Klausurtagung und empfehlen Euch geeignete Moderator*innen. Auch wenn Ihre keine externe Begleitung hinzuziehen möchtet, beraten wir Euch gern bei der Vorbereitung Eurer Klausurtagung.

 

[1] vgl. LAG Hessen 11.06.2012 16 TaBV 237/11.

[2] vgl. Fitting BetrVG § 37 Rn. 152.

[3] LAG Hessen 9.05.2011, 9 TaBV 196/10.

 

5 Methoden um Ersatzmitglieder besser in die Arbeit des Betriebsrates einzubinden

Ersatzmitglieder sind sehr wichtig. Im Falle des Nachrückens sichern sie sowohl die Arbeits- als auch die Beschlussfähigkeit des Gremiums ab. Wünschenswert ist es natürlich, wenn die Ersatzmitglieder gleich voll in die Arbeit des Betriebsrates einsteigen können und keine Zeit damit verbracht werden muss, die Kolleg*innen erst einmal auf den aktuellen Stand zu bringen.

Die Ersatzmitglieder immer auf dem neusten Stand zu halten, ist aber gar nicht so einfach. Ersatzmitglied zu sein, ist nämlich grundsätzlich kein Status, sondern eine Anwartschaft. Bevor sie nachrücken, sind Ersatzmitglieder normale Arbeitnehmer*innen. Wenn der Betriebsrat sie über die laufenden Geschäfte informiert, muss er deshalb darauf achten, seine Geheimhaltungspflichten aus § 79 und § 99 Abs. 1 BetrVG nicht zu verletzen und die prinzipielle Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzungen zu berücksichtigen. Viele Arbeitgeber*innen werden sich zudem weigern, Ersatzmitglieder von ihrer Arbeit freizustellen, bevor sie ordentlich in den Betriebsrat nachgerückt sind. Wir zeigen Euch fünf Möglichkeiten, wie Ihr diese Herausforderungen meistert und Eure Ersatzmitglieder sinnvoll in die Arbeit des Betriebsrates einbeziehen könnt.

  1. In den Informationsfluss des Betriebsrates einbinden

Ersatzmitglieder sind keine Betriebsratsmitglieder. Deshalb dürfen sie nicht pauschal jede Information erhalten, die alle Betriebsratsmitglieder bekommen. Im Wesentlichen geht es dabei um personenbezogene Informationen, die der Betriebsrat im Rahmen von Unterrichtungen nach § 99 BetrVG erhält, sowie um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Beides darf der Betriebsrat nicht einfach an Außenstehende weitergeben. Alle anderen Informationen kann der Betriebsrat jedoch zirkulieren lassen, wenn er dies für angebracht hält.

Die*der Schriftführer*in könnte zum Beispiel eine Version des Protokolls erstellen, in der alle sensiblen Informationen geschwärzt sind; so kann es auch an die Ersatzmitglieder verteilt werden. Die Ersatzmitglieder könnten auch in die E-Mail-Verteiler sowie Facebook- oder Messenger-Gruppen aufgenommen werden, sofern dort keine geheimhaltungspflichtigen Informationen geteilt werden.

Ob die Ersatzmitglieder gut eingebunden werden können, hängt auch entscheidend davon ab, ob der Betriebsrat ein gutes Wissensmanagement betreibt: Sind die Protokolle gut und verständlich geschrieben? Sind die Informationen ordentlich und nachvollziehbar abgeheftet und die digitalen Dokumente sorgfältig abgelegt? Ist alles vollständig und leicht auffindbar? Ersatzmitglieder können Euch helfen, Euer Wissensmanagement zu verbessern, indem sie Euch auf bestehende Mängel hinweisen und Verbesserungen anregen.

 

  1. Vorbereitung der Sitzungen ermöglichen

In vielen Gremien wird bei der Organisation der Stellvertretungen von BR-Sitzung zu BR-Sitzung gedacht. Ersatzmitglieder rücken jedoch bereits zu dem Zeitpunkt nach, ab dem bekannt ist, dass das Vollmitglied verhindert sein wird. Das kann also auch schon einige Tage vor der nächsten BR-Sitzung der Fall sein. Das Ersatzmitglied hat dann ausreichend Zeit, um sich auf die Sitzung vorzubereiten und sich aktuelle Informationen anzulesen.

Selbst wenn der Nachrückfall tatsächlich erst zu Beginn einer BR-Sitzung eintreffen sollte, hat das Ersatzmitglied das Recht, sich einen oder zwei Tage vorher bereits auf die BR-Sitzung vorzubereiten (Vorwirkung). Genau wie alle anderen BR-Mitglieder hat auch das Ersatzmitglied einen Rechtsanspruch darauf, gut vorbereitet in die BR-Sitzung zu gehen und sich mit allen Tagesordnungspunkten im Voraus vertraut zu machen.

Weist Eure Ersatzmitglieder auf diese Möglichkeit hin und ermöglicht ihnen den Zugang zu den physischen und digitalen Akten des Betriebsrates jeweils schon im Vorfeld der Sitzungen.

 

  1. Teilnahme an Schulungen

Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung von 2014[1] hat ergeben, dass Schulungen neben den Betriebsratssitzungen der wichtigste Raum für Betriebsräte sind, um sich untereinander auszutauschen. Wenn Ersatzmitglieder häufig nachrücken oder die Vertretungsfälle in gewisser Regelmäßigkeit auftreten, haben auch Nachrücker*innen einen Anspruch auf Teilnahme an mindestens den Grundlagenschulungen. Auch nach der Rechtsprechung des BAG können Schulungen für Ersatzmitglieder erforderlich sein, wenn dadurch die Arbeitsfähigkeit des Gremiums gesichert wird.[2] Häufig stimmt auch die Arbeitgeberin der Teilnahme von mehreren Ersatzmitgliedern an Schulungen zu, weil ein späteres Nachschulen meist teurer und organisatorisch schwieriger wäre.

Nutzt diese Chance und nehmt immer so viele Ersatzmitglieder wie möglich mit zu den Schulungen, um Euch dort miteinander auszutauschen und den Schulungsbesuch gemeinsam zu gestalten.

 

  1. Klausurtagungen

Klausurtagungen sind außerordentliche Betriebsratssitzungen. Auf ihnen wird nicht das Tagesgeschäft verhandelt, sondern sie dienen dazu, die allgemeine Planung der kommenden Monate vorzunehmen sowie interne Strategien und Aufgabenverteilungen festzulegen. Dies betrifft auch die Ersatzmitglieder, sofern sie nicht ganz weit hinten auf der entsprechenden Liste stehen und nicht damit zu rechnen ist, dass sie in den nächsten Monaten nachrücken werden. Auf einer Klausurtagung sollten keine personellen Einzelmaßnahmen besprochen werden, und auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse müssen in diesem Rahmen meist nicht erörtert werden. Daher ist es unproblematisch, die Ersatzmitglieder als Gäste zu den Klausurtagungen des Betriebsrates zu laden. Auch die Arbeitgeberin wird einer Freistellung gegenüber offener sein, da es sich nur um wenige Termine in der Amtszeit handelt.

Alternativ könnt Ihr auch eine Klausurtagung oder einen Tagesordnungspunkt speziell für die Ersatzmitglieder organisieren und mit ihnen Wege einer besseren Zusammenarbeit und die Möglichkeiten aus den anderen hier genannten vier Punkten besprechen.

 

  1. Mitarbeit in der Betriebsgruppe

Existiert bei Euch im Betrieb eine gewerkschaftliche Betriebsgruppe oder ein Vertrauenskörper? Falls ja, dann ist es sinnvoll und wünschenswert, dass Ersatzmitglieder sich dort engagieren. So kann die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft noch enger gestaltet werden. In Betrieben mit geringem gewerkschaftlichen Organisationsgrad übernehmen besonders aktive Betriebsratsmitglieder häufig beide Posten ­– doch diese Doppelbelastung ist selbst für den*die engagierteste*n Kolleg*in meist zu viel.

Wenn bei Euch keine Betriebsgruppe existiert, besprecht mit der bei Euch vertretenen Gewerkschaft, wie ihr eine solche gemeinsam etablieren könnt. Denn der Betriebsrat kann von einer starken gewerkschaftlichen Präsenz im Betrieb nur profitieren.

[1] https://www.boeckler.de/hbs_showpicture.htm?id=46197&chunk=1.

[2] BAG 15.5.1986, AP Nr. 53 zu § 37 BetrVG 1972 und BAG 19.9.2001 – 7 ABR 32/00.

Fünf Vorzüge einer Listenwahl

zwei Wahlmodi

Die Wahlordnung kennt zwei verschiedene Wahlverfahren: Die Listen- und die Personenwahl. Der wesentliche Unterschied ist: Bei der Listenwahl wird nicht für einzelne Personen gestimmt, sondern für eine Liste und alle ihre Personen. Wie wird entschieden, welcher Wahlmodus bei einer Betriebsratswahl zum Zuge kommt? Ganz einfach: sobald jemand eine zweite Liste initiiert und das Minimum an Stützunterschriften einsammelt, ist die Listenwahl herbeigeführt. Der Wahlvorstand hat dagegen keinen direkten Einfluss darauf, ob eine Personen- oder eine Listenwahl durchgeführt wird.

Durch meine Arbeit als Wahlvorstand und Betriebsrat weiß ich, dass es Kolleg*innen und Betriebsräte gibt, denen die Listenwahl nicht geheuer ist, gar als schädlich oder undemokratisch gilt. Für diesen Argwohn, verbunden mit der Bevorzugung der Personenwahl, kenne ich bisher keine überzeugenden Gründe. Ich möchte im Folgenden sogar die Gegenthese vertreten: Listenwahlen haben da, wo sie möglich sind, mehr Vorzüge als Personenwahlen.

Was spricht für die Listenwahl?

(1) Mehr Mobilisierung

Die Listenwahl hilft, mit einer in unserer Zeit um sich greifenden Ausgangslage umzugehen, die Betriebsratsarbeit erheblich erschwert: Betriebe, deren Mitarbeiter nur sehr begrenzt ein kollegiales Verhältnis zueinander entwickeln können, weil es schlicht keinen Ort gibt, an dem sie sich in ihrem Arbeitsalltag begegnen: keine Werkshalle, kein gemeinsames Büro, keine Kantine, kein Lehrerzimmer, nicht einmal eine Eingangstür, vor der man gemeinsam eine Raucherpause einlegt. In solchen „ortlosen“, abstrakten oder buchstäblich in hunderte Teile zersplitterten Betrieben steht Betriebsratsarbeit vor der schwierigen Aufgabe, überhaupt erst einmal das Interesse der KollegInnen für die Existenz ihres Betriebsrates zu wecken,

Jede Liste ist bestrebt, personell gut aufgestellt zu sein und für ihre Ziele genug Stimmen und persönliche Fähigkeiten in die Waagschale werfen zu können. Entsprechend größer sind die Anstrengungen, viele und starke Kandidat*innen für die eigene Liste zu gewinnen. Sicher kann es dabei vorkommen, dass sich die Listen gegenseitig Kandidat*innen abjagen. Aber entscheidender ist, dass die absolute Zahl der geworbenen Kandidat*innen bei einer Listenwahl höher ist als bei einer Personenwahl. Die Listenwahl hat also ein höheres Potential zur Mobilisierung geeigneter Kandidat*innen.

(2) Fokus auf die Inhalte

Wie bei fast allen Wahlen spielt auch bei einer Betriebsratswahl die Bekanntheit der Kandidat*innen, oder auch die persönliche Bekanntschaft mit ihnen, eine große Rolle. Bei einer Personenwahl ist dies offensichtlich die ausschlaggebende Größe: Man macht seine Kreuze bei den Personen, die man kennt und die in der Vergangenheit positiv oder wenigstens nicht negativ aufgefallen sind. Natürlich spielt dieses Kriterium auch bei einer Listenwahl eine wichtige Rolle – schließlich hat der Wahlvorstand die Listenmitglieder bekanntgegeben und je zwei Vertreter*innen jeder Liste stehen auch namentlich auf dem Stimmzettel. Aber bei der Listenwahl erhält die Personalisierung ein Gegengewicht durch das, wofür die Listen mit ihren unterschiedlichen Programmen, Zielen, Erfolgen der Vergangenheit usw. stehen. Wenn sich die Listen nicht nur personell, sondern auch in Programmatik voneinander unterscheiden, haben die Wahlberechtigten eine echte Wahl – was wiederum eine mobilisierende Wirkung hat.

(3) Mehr Interesse an der Arbeit des Betriebsrates

Die mobilisierende Wirkung einer in diesem Sinne echten Wahl kann sich in einer höheren Wahlbeteiligung und in anhaltendem Interesse an der Arbeit des neuen Betriebsrats zeigen: So wollen die WählerInnen etwa wissen und überprüfen, was „ihre“ Liste von ihrem Programm einbringen und umsetzen konnte. Wenn sich die Listen programmatisch binden, erhält der zukünftige Betriebsrat durch die Stimmabgabe für diese Programme wie auch durch die prozentuale Gewichtung der Programminhalte im Wahlergebnis einen inhaltlich bestimmten Wähler*innenauftrag.

(4) Schutz für Minderheitenpositionen

Gegen die Meinung, Personenwahlen führten zu mehr Einigkeit als Listenwahlen, würde ich einwenden, dass es auch nach Personenwahlen zu Konflikten kommt, die nicht selten zu Rücktritten oder Inaktivität von im Konflikt unterlegenen Mitgliedern führen. Die „Überlebenden“ solcher post-elektoralen Konflikte führen dann einträchtig und ungestört die Geschäfte weiter.  Die Frage ist: hätten sie diese unangefochtene Position auch dann erhalten, wenn sie sich als Liste zur Wahl gestellt hätten? Oder hätten nicht gerade die später Zurückgetretenen, wenn sie sich als Liste formiert hätten, die Mehrheit gewonnen – oder zumindest einen so beachtlichen Anteil der Stimmen, dass sie nach der Wahl nicht so schnell aufgegeben hätten? Die Listenwahl wirkt also auch als Schutz für Minderheitenpositionen und für zarter besaitete Kolleg*innen – und zwar umso mehr, je klarer und überzeugender sich eine Liste vor der Wahl inhaltlich positioniert und dafür Stimmen bekommen hat.

(5) Versachlichung von Konflikten

Konflikte werden von vornherein sachlicher, vorsichtiger und weniger persönlich geführt, wenn man sich bewusst ist, dass man nicht so sehr mit einer einzelnen Person streitet, sondern mit einer Liste, die einen bestimmten Wähler*innenwillen vertritt. Ein einzelnes Mitglied kann nicht so leicht eingeschüchtert, an den Rand gedrängt oder vergrault werden, wenn es im Schutz einer Liste steht.

Das Betriebsverfassungsgesetz steht, indem es die Listenwahl vorsieht, für eine plurale Demokratie.  Gegen die Herbeiführung einer Listenwahl wurde eingewandt, dass dies die Belegschaft spalte und den Betriebsrat schwäche, weil er dann dem Arbeitgeber nicht mit einer Stimme entgegentreten könne. Dieses Argument mag von echter Sorge um die Interessen der Arbeitnehmer*innen getragen sein. Es ist aber eher umgekehrt: Man schwächt den Betriebsrat, wenn man die Bereitschaft von Kandidat*innen zur Vielstimmigkeit, zum Dissens, zum Austragen von Konflikten ablehnt oder gar als „spaltend“ abwertet. Die Stärke eines Betriebsrates zeigt sich wesentlich in seiner Konfliktfähigkeit. Zu dieser gehört beides: die Fähigkeit, sich zu einigen, Kompromisse zu finden ebenso wie die Bereitschaft, sich auf der Suche nach dem besten Weg wenigstens vorübergehend zu entzweien. Genau das ist es, was die Gründung einer Liste bedeutet. Die Handlungs- und Beschlussfähigkeit des Betriebsrats wird dadurch in keiner Weise gemindert. Wenn ein Gremium in einer wichtigen Frage keine Einigkeit erreichen kann, wird eben abgestimmt.

Jan Köttner, Betriebsratsvorsitzender der Lebenshilfe in der Schule gGmbH

(es handelt sich um die gekürzte Version eines längeren Beitrages zu diesem Thema)

Ausländer*innen in die Gremien!

Am 24. September wurde in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Laut Bundeswahlleiter hatten 61,5 Millionen Menschen an diesem Tag das aktive Wahlrecht. Nach letzten Daten leben in Deutschland jedoch 80,6 Millionen Menschen. Was ist also mit den über 19 Millionen Menschen, die hier leben, aber nicht wählen durften? Die größte Gruppe unter Ihnen bilden die unter 18-Jährigen. Aber auch Menschen, die einen gesetzlichen Betreuer in allen Angelegenheiten haben, dürfen nicht mehr wählen. In seltenen Fällen kann jemandem auch aufgrund einer Straftat das Wahlrecht entzogen werden.

Der Blog wahllos.de schätzt jedoch, dass es auch 6,4 Millionen Nicht-EU-Ausländer*innen in Deutschland gibt.[1] Sie dürfen nicht wählen, weil sie keine deutsche Staatsangehörigkeit haben. Die allermeisten von ihnen leben dauerhaft in Deutschland, haben ihren Lebensmittelpunkt hier, arbeiten, zahlen Steuern und nehmen auch sonst am gesellschaftlichen Leben teil. Aufgrund der Kopplung des Wahlrechts an die Staatsangehörigkeit dürfen sie jedoch nicht mitentscheiden, welche Parteien in den nächsten Jahren im Bundestag vertreten sein werden und welche Ausgaben mit den geleisteten Steuern getätigt werden.

In der Geschichte der BRD waren immer nur 68% bis 76% der Bevölkerung auch tatsächlich wahlberechtigt[2] und bei jeder Wahl verzichten 10% bis fast 30% der Wahlberechtigten auf die Ausübung dieses Rechts und gehen nicht zur Wahl. Dennoch ist es ein Problem für eine Demokratie, wenn sie so vielen Menschen strukturell die Partizipation verweigert. Wenn eine Demokratie sich als Demokratie ernst nimmt, dann kann man das so genannte „Wahlvolk“ nicht einfach auf den abstrakten Begriff der Staatsangehörigkeit reduzieren, sondern muss alle Menschen beteiligen, die hier leben.

Das Wahlrecht wird sich aber so schnell nicht ändern. Dafür ist der politische Mainstream immer noch zu sehr der Meinung, das Wahlrecht müsse man sich verdienen und nur ein „echter“ Deutscher, also einer mit Staatsangehörigkeit, dürfe auch wählen gehen. Die ehemalige rot-grüne-Regierung in Nordrhein-Westfalen wollte ein Ausländer*innenwahlrecht, zumindest für Kommunalwahlen festlegen, war damit aber vor kurzem erst gescheitert.[3]

Wenn man aber an andere Partizipationsmöglichkeiten denkt, dann fällt auf, dass das Betriebsverfassungsrecht in Deutschland lebende Ausländer*innen nicht in der Weise diskriminiert, wie es das Bundeswahlgesetz tut. Bei Betriebsratswahlen ist weder das aktive, noch das passive Wahlrecht die Staatsbürgerschaft gekoppelt. Für das Betriebsverfassungsrecht ist es egal, wo jemand herkommt, wichtig ist nur, dass er*sie Arbeitnehmer*in im Betrieb bist. Es gibt sogar einige Regelungen, die Ausländer*innen die Ausübung ihrer Beteiligungsrechte erleichtern sollen, zum Beispiel die Pflicht der Arbeitgeber*innen die Kosten für  Übersetzungen und Dolmetscher*innen für nicht-deutsch-Muttersprachler*innen zu tragen (§ 40 BetrVG), oder die Pflicht des Wahlvorstandes Arbeitnehmer*innen, die der deutsche Sprache nicht mächtig sind über das gesamte Wahlverfahren in geeigneter Weise und ggf. sogar in ihrer Muttersprache vorab zu informieren (§ 2 Abs. 5 WO) oder auch das allgemeine Diskriminierungsverbot in § 75 BetrVG. Der Betriebsrat hat nach § 80 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG die Aufgabe die Integration ausländischer Arbeitnehmer*innen im Betrieb zu fördern. Dazu muss auch die Integration in die betrieblichen Interessenvertretungsgremien gehören.

In Deutschland lebende Ausländer*innen sollten deswegen dazu eingeladen werden sich in Betriebsversammlungen, bei den Betriebsratswahlen, im Wahlvorstand und im Betriebsrat aktiv an der Betriebspolitik zu beteiligen. Es handelt sich um Kolleg*innen, denen durch das Betriebsverfassungsrecht die Möglichkeit der aktiven Partizipation und Einflussnahme auf ihre täglichen Lebensbedingungen gegeben wird. Eine Möglichkeit, die ihnen das Bundeswahlgesetz leider immer noch verwehrt.

René Kluge, ehem. BR-Vorsitzender Autismus Deutschland und tandem Autismus. Geschäftsführer R+A Recht und Arbeit GmbH

 

[1] http://wahllos.de/nicht-deutsch-genug-zum-waehlen/static,Akin_de.htm

[2] http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/bundestagswahlen/55604/wahlberechtigte-1949-2009

[3] http://www.n-tv.de/politik/NRW-aendert-Wahlgesetz-nicht-article19747644.html

Student*innen als Betriebsratsmitglieder und ihr Status in der gesetzlichen Krankenversicherung

Nach den Zahlen der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks arbeitet immer noch eine hohe Zahl von Student*innen, nämlich mittlerweile ganze 68% nebenbei, um sich ihr Studium ganz oder teilweise zu finanzieren. Der deutsche Staat unterstützt solche Finanzierungsmodelle indem er Student*innen von der Arbeitslosenversicherungs-, der Pflegeversicherungs- und auch der Krankenversicherungspflicht (letzteres § 6 SGB V) befreit hat. Als Arbeitnehmer*innen müssen Student*innen also weniger Sozialabgaben zahlen und auch die Arbeitgeber*in hat bei ihnen weniger Lohnnebenkosten.

Um nun aber in den Genuss dieses Vorteils zu kommen, reicht es nicht aus, einfach nur an einer Hochschule immatrikuliert zu sein, man muss auch „dem Erscheinungsbild nach“ ein*e Student*in sein. So zumindest formulierte es das Bundessozialgericht (BSG) in seinem abschließenden Urteil in dieser Sache im Jahr 2003 (Urteil vom 11. 11. 2003 – B 12 KR 24/03 R). Das bedeutet, man muss nicht nur eingeschrieben sein, sondern auch wirklich studieren. Das pragmatische Kriterium des BSG ist, dass man maximal 20 Stunden in der Woche arbeiten darf und den Rest der Zeit für sein Studium aufwenden muss. Liegt die Arbeitszeit aber zum Beispiel in den Abend- und Nachtstunden oder in den Semesterferien, so müssen diese 20h/Woche nicht so streng beachtet werden. Hieran erkennt man schon, dass es dem Gericht daran gelegen war eine praxisnahe Regelung zu finden und die Versicherungsfreiheit nur dann abzuerkennen, wenn der Umfang der Tätigkeit es gar nicht mehr zulässt tagsüber Seminare und Vorlesungen zu besuchen und man eigentlich keinem geregelten Studium mehr nachgeht.

Was ist nun aber, wenn eine Studentin in ihrem Betrieb in den Betriebsrat gewählt wird und aufgrund von Betriebsratstätigkeit eine Arbeitszeit von 20h in der Woche übersteigt? Diese Frage erreicht uns als Seminaranbieter natürlich immer wieder im Zusammenhang mit dem Besuch von Seminaren die ja oft eine gesamte Vollzeitwoche beanspruchen. Unserer Kenntnis nach gibt es zu dieser Frage bisher kein gerichtliches Urteil. Wir haben deswegen die großen Krankenversicherungsträger in Deutschland befragt. Sie haben uns einhellig bestätigt, dass es sich bei Betriebsratstätigkeit um einen Ausnahmefall handelt, der keinen Einfluss auf die Versicherungsfreiheit von Student*innen hat. Entscheidend ist hier das zu Grunde liegende Arbeitsverhältnis. Betriebsratstätigkeit ist ein Ehrenamt. Betriebsratsarbeit wird deswegen zwar wie Arbeitszeit vergütet, ist aber keine im engeren Sinne. Im Übrigen gelten für teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder ja auch die Regelung des § 37 Abs. 3 BetrVG, wonach solchen BR-Mitgliedern ein Freizeitanspruch entsteht, wenn sie BR-Tätigkeit außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit geleistet haben.

Prinzipiell ist es so, dass es die Pflicht der Arbeitgeber*in ist, die Einhaltung der Sozialversicherungspflicht im Betrieb zu überwachen und die entsprechenden Beiträge an die Träger abzuführen. Ihr als Betriebsratsmitglieder müsst Euch um diese Sachlage erst einmal keine Gedanken machen. Ihr müsst auch selbst keine Anzeige bei Eurer Krankenkasse machen oder ähnliches. Wäre die Arbeitgeber*in der Meinung, dass keine Versicherungsfreiheit mehr besteht, so müsste sie dies selbst bei der Krankenkasse anzeige. Das würde allerdings bedeuten, dass für die Arbeitgeber*in selbst die Lohnnebenkosten steigen würden. Dies ist vielleicht auch der Grund, warum uns die Krankenkassen berichteten, dass sie bis jetzt noch von keiner derartigen Anzeige gehört hätten.

Neben vielen anderen Gesetzen und Verordnungen haben die Arbeitgeber*innen vor allem auf die korrekte Abfuhr der Sozialabgaben zu achten. Nicht selten nutzen sie diese Pflicht jedoch, um Arbeitnehmer*innen und Betriebsräte mit zweifelhaften Forderungen zu begegnen die auf unklarem oder falschem Verständnis der Gesetzes- und Sachlage basieren. Auch im Falle des Datenschutzes begegnet uns dies immer wieder. Bitte lasst Euch davon nicht irritieren. Prüft die Sachen lieber selbst oder lasst sie von jemandem prüfen. Obwohl es von ihnen erwartet werden kann, sind die meisten Arbeitgeber*innen und Personalabteilungen nicht mit allen gesetzlichen Regelungen wirklich gut vertraut.

Wenn Ihr aber ganz konkret das Problem habt, ein Seminar bei uns besuchen zu wollen, in der fraglichen Woche aber zum Beispiel auch eine Uni-Veranstaltung oder eine Prüfung habt, dann meldet Euch einfach bei uns und wir finden eine Lösung.

Gemeinsam stark! Gewerkschaftspolitische Herausforderungen nach der Bundestagswahl – Aktionskonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Bundesfraktion DIE LINKE. 20.Oktober 2017, Kassel

Rund 250 aktive Betriebsräte, Gewerkschaftssekretär*innen und andere Aktive versammelten sich am 20. Oktober in Kassel, um zusammen mit Vertreter*innen aus Politik und Gewerkschaften die Ergebnisse der Bundestagswahlen, ihre Gründe und auch Perspektiven daraus zu diskutieren und ihre Forderungen an die Politik zu stellen.

Zu Beginn der Veranstaltung erwartete uns Jutta Krellmann (MdB, Fraktion DIE LINKE) mit einem Vortrag zur Stärkung der Gewerkschaften und der Ausweitung der Mitbestimmung für Betriebsräte. Sie rief dazu auf, gewerkschaftlich solidarisch gegen Neoliberalismus und Faschismus aufzutreten. Nur so lässt sich eine Front gegen den gesellschaftlichen und politischen Rechtsruck bilden. Sybille Stamm (Vorstand Rosa-Luxemburg-Stiftung) verwies auf die Herausforderungen gewerkschaftlicher Erneuerung angesichts des zunehmenden Mitgliederschwunds und forderte die Gewerkschaften auf, sich auch gesellschaftlich einzumischen und ihr politisches Mandat zu nutzen. Vor der Mittagspause hielt  Prof. Dr. Nicole Mayer-Ahuja (Direktorin am SOFI Göttingen) einen Vortrag mit anschließender Diskussionsrunde über den Stand und die Perspektiven der Arbeiter*innenbewegung und das „neue Normalarbeitsverhältnis“. Dabei ging es um Veränderungen in der Arbeitswelt. Sie stellte das früher klassische Normalarbeitsverhältnis (unbefristete Vollzeit, dauerhafte Perspektive, , Existenzsicherung, regelmäßige Arbeitszeiten,  etc.) der Prekarisierung seit Mitte der 80er Jahre gegenüber. Zunehmende Unterschreitungen des Normalarbeitsverhältnisses und prekäre Arbeitsbedingungen verdrängten langsam typische Arbeitsverhältnisse.  So z.B. weg vom 8-Stunden-Tag hin zu flexiblen Arbeitszeiten, dem Verschwimmen von Arbeits- und Privatleben, Outsourcing, Leiharbeit und der einhergehenden Vielfältigkeit der Beschäftigten. Daraus geht  ein Mangel an Zusammengehörigkeit hervor, der u.a. Grund für schwindende Mitgliederzahlen in Gewerkschaften ist. Ihre Forderung an DIE LINKE und die Gewerkschaften ist, sich damit auseinanderzusetzen. Sie müssen sich  für ein „wir“ im 21. Jahrhundert einsetzen, in dem die allgemeine Verunsicherung wächst und Menschen weltweit von Prekarisierung betroffen sind. Gefordert ist  die Suche nach gemeinsamen Zielen aller Arbeitenden der heute divergenten Arbeitswelt, die  Zusammenarbeit in einem breiten Bündnis von Gewerkschaften und Partei als linke Alternative zur Politik des Neoliberalismus und der Mut zur Utopie – eine neue Politik der Arbeit auf Basis von Demokratie und Gleichheit .

Wir hatten nach der Mittagspause außerdem die Gelegenheit in kleineren Arbeitsgruppen über einige wichtige Themen zu diskutieren. Zur Auswahl standen Rente, Arbeitszeit, prekäre Beschäftigung und Tarifflucht, Sparpolitik stoppen – öffentliche Daseinsvorsorge stärken und Gesellschaftlicher Rechtsruck – sozialen Spaltungen und Rassismus entgegentreten.

Den Abschluss des Tages bildete die Podiumsdiskussion „Gewerkschaftliche und politische Kämpfe verbinden- das politische Mandat der Einheitsgewerkschaft“ mit Bernd Riexinger, Dr. Hans-Jürgen Urban (IGM Vorstand) und Andreas Keller (stellv. Vorsitzender GEW). Dort wurden Themen wie der Umgang mit der AfD, wie auch die konkrete Bedeutung einer Jamaika-Koalition für Arbeitnehmer*innen und die Schwächung der Gewerkschaften besonders thematisiert.

Aus meiner Sicht war die Konferenz  sinnvoll, da ich als Mitglied eines Betriebsrats direkt im großen Plenum mit Vertretern aus Politik und den Gewerkschaften genau das diskutieren konnte, was die Kolleg*innen in meinem Betrieb täglich betrifft und so nach Lösungen gesucht wurde um den Problemen entgegenzutreten. Ich stimme prinzipiell mit der Forderung überein, dass Gewerkschaften gesellschaftspolitisch aktiver werden sollten, allerdings ist die Grundvoraussetzung dafür, die bessere Zusammenarbeit der Gewerkschaften selbst. Ohne gemeinsam gesetzte Ziele und einen Plan wie diese erreicht werden sollen, nützt gesellschaftspolitisches Engagement der Einzelgewerkschaften nichts. Ich betrachte die Konferenz in Kassel  aber als gelungenen Anfang für eine bessere Zusammenarbeit auch zwischen den Gewerkschaften, da Vertreter*innen  verschiedener DGB-Gewerkschaften anwesend waren und so der Grundstein für eine gemeinsame Zielsetzung zusammen mit der Partei DIE LINKE gelegt wurde.

Carolin Fischer, Betriebsratsvorsitzende bei Uniqlo Europe Ltd.,Berlin.

R+A Diskussionsveranstaltungen zum Thema Betriebsratsbashing

Am 19. Oktober 2017 diskutierten wir mit Elmar Wigand von der aktion./.arbeitsunrecht und ca. 30 Kolleg*innen aus Handel, Sozialunternehmen und Metallbranche, Rechtsanwält*innen und Gewerkschafter*innen über das Phänomen “Union Busting” bzw. “Betriebsratsbashing”. Elmar Wiegand berichtete wie er und seine Kolleg*innen von der aktion./.arbeitsunrecht ihr journalistisches Handwerkszeug einsetzen um, wie er es nennt, Gegnerbeobachtung zu betreiben. Sie analysieren die Vorgehensweise von Arbeitgeber*innen und ihren Berater*innen bei der systematischen Be- und Verhinderung von Betriebsräten.

Die Begriffe kommen aus den USA, wo das Phänomen schon seit den 90er Jahren erforscht wird. Hier in Deutschland hat man leider erst vor einigen Jahren begonnen sich ernsthaft mit diesem Problem zu Beschäftigen. An Beispielen für dieses Vorgehen von Arbeitgeber*innenseite mangelte es Elmar Wigand jedoch nicht. Neben bekannten und öffentlichkeitswirksamen Beratern wie Helmut Naujuks muss mittlerweile auch wohl konzediert werden, dass Betriebsratsbashing bei immer mehr Arbeitgeber*innen, quer durch alle Branchen und auf sehr unterschiedliche Weisen, angewandt wird. Auch anwesende Betriebsräte konnten von vergleichbaren Problemen aus ihren Betrieben berichten.

Alleine nur mit  den rechtlichen Möglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes sind Betriebsräte meist nicht in der Lage, sich gegen diese Strategien zu erwehren. Arbeitsgerichtsverfahren dauern oft zu lange und für die Belegschaft und oft auch für die betroffenen Betriebsräte selber, wird meist erst viel zu spät deutlich, welche Absicht die Arbeitgeber*in mit ihrem Vorgehen verfolgt. Die Gewerkschaften haben erst seit relativ kurzer Zeit damit begonnen, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen.

Auch der § 119 des Betriebsverfassungsgesetzes, der für Straftaten gegen Betriebsräte und Wahlvorstände hohe Geldstrafen oder Haftstrafen von bis zu einem Jahr vorsieht wird in der Realität nur äußerst selten angewandt. Gerichten und Staatsanwaltschaften fehlt Erfahrung in diesem Bereich der Unternehmer*innenkriminalität.

Mit den anwesenden Kolleginnen haben wir deswegen vor allem über mögliche Gegenstrategien von Betriebsräten gesprochen. Am Ende bestand Einigkeit darin dass eine sinnvolle Strategie nur darin bestehen kann, das Vorgehen auf den verschiedenen Bereichen miteinander zu verbinden: das Ausschöpfen aller rechtlicher Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit engagierten Rechtsanwält*innen, die ständige Kommunikation mit den Kolleg*innen im Betrieb, das Ausnutzen aller gewerkschaftlicher Organisationsmöglichkeiten und das Nutzen von journalistischen Fähigkeiten zur Recherche des Gegners und der eigenen professionellen Öffentlichkeitsarbeit in den breiten Medien. Um Betriebsräte nachhaltig zu stärken und vor allem auch, die immer noch viel zu spärliche Verbreitung von Betriebsräten in deutschen Unternehmen zu erhöhen, bedarf es einer gesellschaftlichen Bewegung, die die Existenz von Betriebsräten als Errungenschaft der Arbeiter*innenbewegung anerkennt und  als demokratische, emanzipatorische Institution in der deutschen Gesellschaft ausbauen möchte.

Link zur Webseite der aktion./.arbeitsunrecht

Link zur Studie von Elmar Wigand und Werner Rügemer bei der Otto-Brenner-Stiftung

 

Diskussionsveranstaltung: Wahlbehinderung und Betriebsratsbashing verhindern. Brauchen wir eine Reform der Betriebsverfassung?

Die Be- und Verhinderung von Betriebsräten und Betriebsratswahlen wird zu einem immer ernsteren Problem und die Methoden der Arbeitgeberseite und ihrer Berater*innen immer ausgefeilter. Müssen Betriebsräte sich besser rüsten, oder braucht es gar eine Reform auf Gesetzesebene? Die kölner Gruppe „aktion./.arbeitsunrecht“ hat unlängst eine Liste mit Forderungen und Vorschlägen zur Reform der betrieblichen Mitbestimmung veröffentlicht. Wir wollen mit Elmar Wigand, einem der Gründer von aktion./.arbeitsunrecht darüber diskutieren und gemeinsam nach Lösungen und Perspektiven fragen.

Wir würden uns freuen, Euch bei dieser Diskussionsveranstaltung begrüßen zu dürfen. Ihr braucht keine Anmeldung oder Kostenübernahme. Für Getränke wird ebenfalls gesorgt sein.

Den Forderungskatalog der aktion./.arbeitsunrecht findet Ihr hier

Die Veranstaltung findet am 19. Oktober 2017 um 19:00 Uhr in der Galerie ZeitZone in der Adalbertstr. 79, 10997 Berlin Kreuzberg statt.

Die fünf häufigsten Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstandes

Die Betriebsratswahlen 2018 stehen vor der Tür. An den Betriebsräten ist es nun die Wahlvorstände zu bestellen, die die Betriebsratswahlen organisieren sollen. Eigentlich ein einfacher Vorgang, aber es passieren dabei doch trotzdem immer kleinere und größere Fehler. Wir haben die fünf häufigsten für Euch zusammengestellt, so dass Ihr sie bei der Bestellung Eures Wahlvorstandes vermeiden könnt.

1.Der Wahlvorstand wird zu spät bestellt

Nach § 16 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat den Wahlvorstand spätestens zehn Wochen vor Ende seiner Amtszeit zu bestellen. Das bedeutet, dass der Wahlvorstand dann vier Wochen Zeit hätte, bevor er spätestens das Wahlausschreiben erlassen muss. In dieser Zeit muss sich das Gremium organisieren, eine entsprechende Schulung besuchen und die Zuarbeit der Arbeitgeberin bei der Erstellung der Wählerliste einfordern. Gerade letzteres nimmt oft viel Zeit in Anspruch, weil immer wieder Informationen fehlen und nachträglich angefordert werden müssen.

Es spricht nichts dagegen den Wahlvorstand wesentlich früher zu bestellen, um ihm genug Zeit für alle Vorbereitungen zu geben. Wir empfehlen mindestens drei Monate vor Ende der Amtszeit. In größeren Betrieben, oder solchen mit komplizierten Strukturen sind vier bis fünf Monate sicherlich angebracht.

 

2. Es wird kein Vorsitz benannt

Der Betriebsrat hat den Vorsitzenden des Wahlvorstandes selbst zu bestellen. Häufig wird dies nicht gemacht und es dem Wahlvorstand selber überlassen, den Vorsitz aus seinen eigenen Reihen zu wählen. Ein Vorgang, der vermutlich nicht gleich zur Wahlanfechtung führen wird, aber korrekt ist er sicherlich nicht. Wer sollte denn zur Wahlvorstandssitzung einladen auf der der Vorsitz gewählt werden soll? Und wer sollte die Tagesordnung festlegen? Ohne Vorsitz ist der Wahlvorstand nicht arbeitsfähig, deswegen muss der Betriebsrat bei der Bestellung auch den Vorsitz festlegen. Natürlich spricht nichts dagegen, dass der Betriebsrat sich vorher mit den Kolleg*innen, die den Wahlvorstand bilden sollen berät und abfragt, wer dieses Amt gerne übernehmen möchte.

 

3. Der Wahlvorstand besteht aus zu wenigen Mitgliedern

Ein Wahlvorstand besteht aus drei Mitgliedern, soviel scheint klar zu sein. Oft wird jedoch übersehen, dass im normalen Wahlverfahren (nicht jedoch im vereinfachten Verfahren!) der Betriebsrat auch einen größeren Wahlvorstand bestellen kann. Gerade in großen Betrieben, oder solchen mit vielen, räumlich voneinander getrennten Betriebsteilen ist es jedoch von Vorteil, wenn es mehr Wahlvorstandsmitglieder gibt. In diesen Konstellationen sollte in jedem Fall von der Möglichkeit eines größeren Wahlvorstandsgremiums Gebrauch gemacht werden. Natürlich muss das Gremium immer eine ungerade Zahl von Mitgliedern aufweisen.

Man sollte es mit der Größe des Wahlvorstandes aber auch nicht übertreiben. Je mehr Mitglieder, desto mehr Meinungen und desto umfassender werden die Diskussion im Gremium. Zu viele Mitglieder können sich auch lähmenden auf die Arbeit des Wahlvorstands auswirken. Deswegen sollte der Betriebsrat genau abwägen, wie viele Mitglieder der Wahlvorstand umfassen sollte.

 

4. Ein falsches Nachrückverfahren wird angenommen

Die Mitglieder des Wahlvorstands werden nach einem anderen System vertreten, als dies beim Betriebsrat der Fall ist. Das Nachrücken beim Betriebsrat erfolgt entlang einer Liste, deren Reihenfolge durch das Wahlergebnis bestimmt wird. Da der Wahlvorstand hier nicht gewählt, sondern bestellt wurde, gibt es keine solche Liste. § 16 Abs. 1 BetrVG regelt stattdessen, dass für jedes einzelne Wahlvorstandsmitglied ein bestimmtes Ersatzmitglied benannt wird. Klaus kann dann also nur von Ayşe vertreten werden und Stefania nur von Pawel, usw. Der Betriebsrat kann auch ein anderes Nachrückverfahren festlegen, dann muss er dies in seinem Beschluss aber eindeutig bestimmen und dem Wahlvorstand mitteilen. Ein falsches Nachrücken führt ansonsten ggf. zu ungültigen Beschlüssen des Wahlvorstands.

 

5. Der Wahlvorstand wird ungünstig zusammengesetzt

Wie der Wahlvorstand in Eurem Betrieb zusammengesetzt werden sollte, wisst Ihr selbst am besten. Wichtig ist es nur, auch hier eine bewusste Entscheidung zu fällen und nicht unbedingt die drei ersten Kolleg*innen zu nehmen, die sich anbieten (natürlich wissen wir, dass oft die drei ersten Kolleg*innen, auch die einzigen Kolleg*innen sind und der Betriebsrat gar keine richtige Wahl hat).

Das BetrVG empfiehlt, dass sowohl Frauen als auch Männer im Wahlvorstand vertreten sein sollen. Das ist keine Pflicht, wäre aber natürlich wünschenswert. Genauso wie, dass sich verschiedene Abteilungen oder Arbeitnehmer*innegruppen im Gremium wiederfinden. Natürlich wäre es auch ratsam, dass nicht unbedingt nur aktive Betriebsratsmitglieder den Wahlvorstand bilden sollten. Die Doppelbelastung sollte man nicht unterschätzen und der Wahlvorstand ist ja auch eine gute Gelegenheit, um neue Kolleg*innen an die Mitbestimmungsarbeit heranzuführen. Gerade in schwierigen Konstellationen kann es aber hilfreich sein, wenn eine gremienerfahrene Person im Wahlvorstand die anderen unterstützen kann.

 

Wir wünschen viel Erfolg bei der Bestellung Eures eigenen Wahlvorstandes!